Leitsatz (amtlich)
1. Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die der Unterhaltsverpflichtete tatsächlich bezieht, rechtfertigen keine Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels zu Gunsten der unterhaltsberechtigten, geschiedenen Ehefrau, wenn die Rente bereits bei Erlass des Ausgangstitels bezogen wurde und im seinerzeitigen Verfahren nicht berücksichtigt worden ist.
2. Mit dem erstmals im Abänderungsverfahren im Rahmen eines Widerantrags geltend gemachten Einwand, der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten sei nach § 1578b BGB zeitlich zu begrenzen und auf null herabzusetzen kann der unterhaltsverpflichtete, geschiedene Ehegatte gehört werden, wenn der abzuändernde (Erst-) Titel vor dem 12.4.2006 erlassen wurde und es sich bei dem dort geregelten Unterhaltsanspruch weder um einen Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit noch um Aufstockungsunterhalt handelt.
3. Der Gedanke der nachehelichen Solidarität ist keine "Einbahnstraße", der sich allein zu Lasten des unterhaltsverpflichteten, geschiedenen Ehegatten auswirkt. Deshalb kann im Einzelfall eine Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten in Betracht kommen, wenn es sich zwar um eine Ehe von langer Dauer gehandelt hat, aber keine fortwirkenden ehebedingten Nachteile zu Lasten des unterhaltsberechtigten, geschiedenen Ehegatten vorliegen und der unterhaltsberechtigte Ehegatte die ihm obliegende Erwerbsobliegenheit über Jahre hinweg vernachlässigt und sich in keiner Weise darum bemüht hat, die Unterhaltslast des Pflichtigen gering zu halten.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 152 F 22226/13) |
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin vom 26.6.2015, ihr Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverfolgung in der zweiten Instanz zu gewähren, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die familiengerichtliche Entscheidung vom 25.3.2015, mit der ihr Antrag, den durch Urteil des Senats vom 20.1.2006 - 13 UF 80/05 festgesetzten Unterhalt auf einen monatlichen Betrag von 561 EUR (ab Mai 2013) bzw. von 554 EUR (ab Juli 2014) heraufzusetzen, abgewiesen und dem Widerantrag des Antragsgegners, die genannte Entscheidung des Senats dahingehend abzuändern, dass er, der Antragsgegners, ab dem 20.3.2014 überhaupt keinen Unterhalt mehr an sie zu zahlen hat, stattgegeben wurde.
Die Beteiligten waren Ehegatten. Die Ehe wurde am 27.12.1979 geschlossen. Im Mai 1995 trennten sich die Ehegatten. Der Scheidungsantrag wurde am 12.9.1996 zugestellt. Die Ehe wurde durch Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 22.6.1998 - 152 F 9319/96 geschieden; das Urteil ist seit dem 10.10.1998 rechtskräftig. Aus der Ehe ging der gemeinsame Sohn J., geboren am .... September 1981, hervor. Bei Eingehung der Ehe verfügte die Antragstellerin über keine abgeschlossene Berufsausbildung; sie hatte lediglich einige Semester Medizin studiert, ohne einen Abschluss erlangt zu haben. Während der Ehe kümmerte sie sich um den Haushalt und den gemeinsamen Sohn sowie um zwei weitere Kinder des Antragsgegners aus dessen erster Ehe - K.-H., geboren 1966 und M.-L., geboren im Jahr 1968 -, die im Haushalt der Ehegatten lebten. Nach der Trennung der Beteiligten, von Oktober 1996 bis Oktober 1997, absolvierte die Antragstellerin zwar eine Ausbildung zur Steuerfachkraft, war aber in dem Beruf nicht tätig. Im August 2000 erlangte die Antragstellerin durch Förderung des Arbeitsamtes eine Anstellung als "Herdenmanagerin". Nachdem sie im August 2001 einen Arbeitsunfall erlitt, bezog sie seit Oktober 2002 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Im Zuge der Scheidung wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt; die Antragstellerin erhielt seinerzeit Versorgungsanwartschaften im Wert von 722,87 EUR/Monat (1.413,81 DM), die seither im Wert gestiegen sind. Seit dem Jahr 1995 zahlte der Antragsgegner Unterhalt und zwar zunächst Trennungs- und später nachehelichen Unterhalt, wobei der Unterhaltszahlbetrag durch Urteil des Senats vom 20.1.2006 - 13 UF 80/05 zuletzt auf 307 EUR/Monat festgesetzt worden war.
Inzwischen sind die Beteiligten Altersrentnerin bzw. Pensionär. Die Altersrente der Antragstellerin beträgt 823,30 EUR/Monat (seit August 2013) bzw. 837,14 EUR (seit Juli 2014). Der Antragsgegner verfügt über einzusetzende Einkünfte in Höhe von 27.085,79 EUR/Jahr (Mai 2012 bis April 2013), die sich aus Pensionszahlungen in Höhe von insgesamt 24.505,92 EUR/Jahr, einer Altersrente der Deutschen Rentenversicherung in Höhe von 2.322,44 EUR/Jahr, durchschnittlichen - Durchschnitt der Jahre 2012 und 2013 - Kapitaleinkünften von 13,21 EUR/Jahr sowie einer Steuererstattung (Veranlagungszeitraum 2012) von 244,22 EUR zusammensetzten. Seine Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung betragen 3.705,56 EUR/Jahr; weiter hat er einen Eigenbeitrag zur Beamtenbeihilfe in Höhe von 140 EUR/Jahr zu tragen.
Zur Begründung, weshalb der Unterhaltszahlbetrag nicht, wie von der Antragstellerin gefordert, von 307 EUR/Monat ab Mai 2013 auf 561 EUR/Monat bzw. ab Jul...