Leitsatz (amtlich)
Ein Diplomat, dessen Entsendestaat nicht auf die Immunität verzichtet hat, ist nicht gehindert, die Gerichte des Empfangsstaates als Kläger in Anspruch zu nehmen.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Hier wurde Rechtsbeschwerde beim BGH unter dem Aktenzeichen XII ZB 300/10 eingelegt.
Normenkette
GVG § 18; WÜD Art. 31 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird geändert:
Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Urteils des AG des Kreises Tirana (Republik Albanien) vom 10.6.2009 - Nr. 5063, Gz. 15331/4182 -, soweit dadurch die Ehe zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) geschieden wird, vorliegen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Beteiligten zu 1), deutscher Staatsangehöriger, und die Beteiligte zu 2), italienische Staatsangehörige, schlossen am 22.11.1983 in Bonn die Ehe. Der Beteiligte zu 1) beantragte am 11.12.2008 vor dem AG des Kreises Tirana die Scheidung. Zu diesem Zeitpunkt lebten die Beteiligten zu 1) und 2) in getrennten Haushalten in Tirana. Ausweislich einer Mitteilung des Auswärtigen Amts vom 19.1.2010 war der Beteiligte zu 1) als Mitglied des diplomatischen Personals von der Bundesrepublik Deutschland in die Republik Albanien entsandt. Mit dem in der Beschlussformel genannten Urteil (Bl. 38 ff. d. VV), auf das verwiesen wird, wurde die Ehe der Beteiligten zu 1) und 2) geschieden. Einen Immunitätsverzicht erklärte die Bundesrepublik Deutschland nicht.
Am 14.10.2009 hat der Beteiligte zu 1) bei der Beteiligten zu 3) beantragt festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Scheidungsurteils vorliegen. Mit der angefochtenen Entscheidung (Bl. 59 ff. d. VV) hat der Beteiligte zu 3) diesen Antrag abgelehnt, da es an dem erforderlichen Immunitätsverzicht des Entsendestaats für den Beteiligten zu 1) fehle. Gegen den am 16.3.2010 an ihn abgesandten Bescheid hat der Beteiligte zu 1) am 12.4.2010 beim KG die Entscheidung beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schreiben der Beteiligten zu 1) und 2) nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt einschließlich Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Er ist gem. § 107 Abs. 5 FamFG statthaft und binnen der einmonatigen Frist (§ 63 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 107 Abs. 7 S. 3 FamFG) formgerecht gestellt worden. Der Antrag ist nicht entsprechend § 64 Abs. 1 FamFG bei der Landesjustizverwaltung anzubringen (so aber Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 107 Rz. 40). Die Vorschrift findet über § 107 Abs. 7 S. 3 FamFG keine Anwendung. Denn aus der spezielleren Regelung des § 107 Abs. 6 S. 1 FamFG ergibt sich, dass die Entscheidung beim OLG zu beantragen ist.
Der Antrag ist auch begründet. Die Voraussetzungen für die Anerkennung des Scheidungsurteils liegen vor; Anerkennungshindernisse nach § 109 Abs. 1 FamFG bestehen nicht. Insbesondere ist § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG nicht erfüllt. Die Gerichte der Republik Albanien waren unter Anwendung des Spiegelbildprinzips nach deutschem Recht für die Entscheidung zuständig, da die Beteiligten zu 1) und 2) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Tirana hatten (§ 606a Abs. 1 Nr. 2 und 4 ZPO a.F. bzw. jetzt § 98 Abs. 1 Nr. 2 und 4, § 109 Abs. 2 S. 1 FamFG). Ein Ausschluss der Gerichtsbarkeit, auf den § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG entsprechend anwendbar ist (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 328 Rz. 98), war ebenfalls nicht gegeben. § 18 GVG i.V.m. dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961 (WÜD) kommt nicht zur Anwendung.
Die Beteiligte zu 2) als Antragsgegnerin des Scheidungsantrags genoss gem. Art. 37 Abs. 1 WÜD keine Immunität, da sie nicht mehr zum Haushalt des Beteiligten zu 1) gehörte. Die diplomatische Immunität des Beteiligten zu 1) nach Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 lit. d und e WÜD stand der Tätigkeit der albanischen Gerichte nicht entgegen. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats nur der Entsendestaat verzichten kann, Art. 32 Abs. 1 WÜD. Bereits aus dem Wortlaut der Bestimmungen - "befreit" in § 18 S. 1 GVG und "genießt" in Art. 31 Abs. 1 WÜD - folgt, dass kein FalI der Immunität vorliegt, wenn der Diplomat - wie hier der Beteiligte zu 1) - selbst eine Klage erhebt. Die Immunität hat nur die negative Bedeutung, dass gegen den ihren Schutz Genießenden die Gerichtsbarkeit nicht in Bewegung gesetzt werden darf, hindert eine Inanspruchnahme der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates durch den Diplomaten als Antragsteller jedoch nicht (vgl. schon RGZ 111, 149, 150; a.A. Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜD, Art. 32 Anm.3; Auswärtiges Amt, Rundschreiben v. 19.9.2008 - 503-90-507.00 - ABl. Berlin 2009, 1923, 1926). Aus Art. 32 Abs. 3 WÜD ergibt sich nichts Abweichendes. Die aus Gründen der "Waffengleichheit" eröffnete Möglichkeit einer Widerklage, die mit der Hauptklage des Diplomaten in unmittelbarem Zusammenhang steht, ist nur e...