Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 60 VI 617/17)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg -Nachlassgericht - vom 19. April 2018 wird auf ihre Kosten bei einem Beschwerdewert von bis zu 200.000,00 EUR zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 2. wendet sich mit ihrer am 14. Mai 2018 eingegangenen Beschwerde gegen den Beschluss vom 19. April 2018, mit dem das Nachlassgericht im Sinne des § 352 Abs. 1 S. 1 FamFG die für die Erteilung eines Alleinerbscheins zu Gunsten des Beteiligten zu 1. erforderlichen Tatsachen festgestellt hat.

Sie ist der Ansicht, dem Testament der Erblasserin vom 22. März 2010 komme aus mehreren Gründen keine Rechtswirksamkeit zu, weshalb sich die Erbfolge nach den Verfügungen in dem gemeinschaftlichen Testament der Erblasserin mit ihrem im Jahr 1994 vorverstorbenen zweiten Ehemann vom 26. Juli 1981 richte.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16. Mai 2018 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die ausführlichen und zutreffenden Sachverhaltsdarstellungen in der angefochtenen Entscheidung und der Nichtabhilfeentscheidung vom 16. Mai 2018 verwiesen.

II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. ist gemäß §§ 58. ff FamFG zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die für den Erlass des vom Antragsteller beantragten Alleinerbscheins erforderlich sind, festgestellt. Die gegen diese Entscheidung vorgebrachten Beschwerdeangriffe rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung und Beratung den zutreffenden Begründungen der angefochtenen Entscheidung und der Nichtabhilfeentscheidung in allen Punkten an.

1. Das notarielle Testament der Erblasserin vom 22. März 2010 ist formgerecht (§ 2231 Nr. 1 BGB) errichtet worden.

Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung nicht mehr im Sinne des § 2229 Abs. 4 BGB in der Lage war, die Bedeutung einer von ihr abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, liegen nicht vor.

Dass die Erblasserin in dem Testament die Existenz ihrer Tochter, der Beschwerdeführerin, gänzlich unerwähnt gelassen hat, hat auf die formelle Wirksamkeit der Testamentserrichtung keinen Einfluss.

2. Die Erblasserin war auch nicht durch das im Juli 1981 gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen zweiten Ehemann errichtete gemeinschaftliche Testament im Sinne des § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB gehindert, abweichend von den dort getroffenen Anordnungen zur Schlusserbfolge zu testieren, weshalb auch ihre diesbezügliche Angabe im Eingang der letztwilligen Verfügung rechtlich zutreffend war.

Gemäß § 2253 BGB sind letztwillige Verfügungen durch den Erblasser zu Lebzeiten frei widerruflich; entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin gilt dies im Grundsatz auch für Verfügungen, die Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament (§ 2267 BGB) getroffen haben. Bereits die Regelung des § 2270 BGB belegt, dass nicht jeder in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügung Wechselbezüglichkeit zukommt. Vielmehr ist dies nach § 2270 Abs. 1 BGB nur der Fall, wenn im Einzelfall festgestellt werden kann, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre. Dabei ist gemäß § 2270 Abs. 2 BGB ein solches Verhältnis der Verfügungen im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zu Gunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. Nur wenn ein gemeinschaftliches Testament danach wechselbezügliche Verfügungen enthält, kann der überlebende Ehegatte nach dem Tod seines Ehepartners gemäß § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB seine eigenen, letztwilligen Verfügungen nicht mehr frei widerrufen, wenn er die ihm zugewandte Erbschaft nach dem Erstverstorbenen nicht ausgeschlagen hat.

Dies zugrunde gelegt war die Erblasserin vorliegend nicht gehindert, abweichend von ihrer letztwilligen Verfügung in dem gemeinschaftlichen Testament neu zu testieren, weil ihre in dem gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen -soweit im März 2010 noch relevant- zu der Verfügung des vorverstorbenen Ehemannes, sie zu seiner Alleinerbin zu bestimmen, nicht im Sinne der §§ 2270, 2271 BGB wechselbezüglich war.

Da die Abkömmlinge des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1994 ihren Pflichtteil geltend gemacht haben und damit aufgrund der in dem gemeinschaftlichen Testament enthaltenen sogen. "Pflichtteilstrafklausel" von der Erbfolge nach der Erblasserin ausgeschlossen sind (vgl. BayObLG FamRZ 1995, 249 - 250, zitiert nach juris, dort Rdz. 20 ff), hat das Nachlas...

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