Entscheidungsstichwort (Thema)

Sturz eines Klinikpatient im Bereich der Klinik

 

Leitsatz (amtlich)

Allein der Umstand, dass ein Klinikpatient im Bereich der Klinik gestürzt ist und sich dabei verletzt hat, indiziert nicht eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals.

Kommt es jedoch - wie hier - im Zusammenhang mit einer konkret geschuldeten Hilfeleistung zum Sturz eines Patienten, so hat der Betreiber der Klinik darzulegen und zu beweisen, dass dieser Sturz nicht auf einem Fehlverhalten des mit der Pflege und Betreuung des Patienten betrauten Personals beruht; es gelten insoweit die für die Haftung von Pflegeheimen entwickelten Grundsätze entsprechend.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 6 O 621/04)

 

Tenor

1. Es wird gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat nach Vorberatung beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

2. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

A. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

B. Beides ist hier nicht der Fall. Der Senat folgt vielmehr den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden.

Insofern wird auf Folgendes hingewiesen:

I. Das LG ist bei seiner Entscheidung von zutreffenden rechtlichen Grundsätzen zur Haftung für Schäden von Patienten während der Krankenhauspflege ausgegangen. Es hat sich bei seinem Urteil insbesondere an die vom BGH (NJW 1991, 1540) dargestellten Prinzipien zur Beweislastumkehr zu Lasten des Krankenhausträgers gehalten, die von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt werden. Der Senat folgt in seiner ständigen Rechtsprechung diesen Grund-sätzen: Allein daraus, dass ein Patient im Bereich eines Krankenhauses stürzt, ergibt sich für eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals nichts; kommt es aber im Zusammenhang mit einer konkret geschuldeten Hilfeleistung zu einem Sturz des Patienten, so hat der Betreiber des Krankenhauses darzulegen und zu beweisen, dass dieser Sturz nicht auf einem Fehlverhalten des Pflegepersonals beruht (vgl. für die parallele Situation in einem Pflegeheim Senat, KGReport Berlin 2007, 538). Diese Beweislastverteilung gilt jedenfalls dann, wenn es um ein sog. "voll beherrschbares Risiko" geht (vgl. die Rechtsprechungsübersicht bei Martis, MDR 2007, 12).

II. Diese rechtlichen Grundsätze hat das LG rechtsfehlerfrei angewandt. Die vom LG vorgenommene Beweiswürdigung ist weder inhaltlich noch formal zu beanstanden. Der Senat kommt unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zu demselben Ergebnis wie das LG.

1. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfest-stellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (vgl. etwa Senat, Urt. v. 8.1.2004 - 12 U 184/02; vgl. auch KG [22. ZS], KGReport Berlin 2004, 38 = MDR 2004, 533; Senat, Urt. v. 8.1.2004 - 12 U 184/02, KGReport Berlin 2004, 269).

§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. So darf er beispielsweise einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 286 Rz. 13).

Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und Beweismittel ausführlich einzugehen; es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 286 Rz. 3, 5).

2. Die angefochtene Entscheidung wird diesen Anforderungen gerecht.

a) Die Art der Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Das LG hat die entscheidungserheblichen Aussagen der von ihm vernommenen Beklagtenzeugen E., M. und F. sowie der Klägerzeugin und Geschädigten P. zu den Umständen des Sturzes am 11.5.2001 in der gebotenen Kürze wiedergegeben und dargelegt, dass und warum es jedenfalls in der...

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