Leitsatz (amtlich)
Ein gegenüber einem minderjährigen, unverheirateten Kind zum Barunterhalt verpflichteter Unterhaltsschuldner, der einen über das "übliche" Maß hinausgehenden, erweiterten Umgang mit dem Kind wahrnimmt, ist unterhaltsrechtlich nicht berechtigt, aus diesem Grund seine Erwerbstätigkeit zu reduzieren und nur noch einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen, wenn dies dazu führt, dass er weniger als 100 % des Mindestunterhalts leisten kann.
Verfahrensgang
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Beschluss vom 27.04.2015; Aktenzeichen 17 F 974/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den am 27.4.2015 bekannt gegebenen Beschluss des AG Pankow/Weißensee - 17 F 974/14 - wird auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von 4.232 EUR zurückgewiesen.
Der Antrag des Antragsgegners vom 25.8.2015, ihm für die Rechtsverfolgung im zweiten Rechtszug Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Familiengerichts vom 27.4.2015, mit dem er verpflichtet wurde, an die Antragsteller, seine minderjährige Tochter und seinen minderjährigen Sohn, laufenden und rückständigen Kindesunterhalt zu zahlen. Er wurde verpflichtet, an seine Tochter - die Antragstellerin zu 1. - zu Händen der Mutter laufenden Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe monatlich abzgl. des jeweiligen hälftigen Kindergeldes - Zahlbetrag nach der bei Erlass der Entscheidung geltenden "Düsseldorfer Tabelle" vom 1.1.2015 272 EUR/Monat - und ab dem 1.1.2020 Kindesunterhalt der dritten Altersstufe abzgl. des jeweils hälftigen Kindergeldes zu zahlen sowie weiter, einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.932 EUR auszugleichen. Weiter wurde er verpflichtet, an seinen Sohn - den Antragsteller zu 2. - zu Händen der Mutter laufenden Kindesunterhalt in Höhe von ebenfalls 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe monatlich abzgl. des jeweiligen hälftigen Kindergeldes - Zahlbetrag bei Entscheidungserlass 272 EUR/Monat - und ab dem 1.9.2017 Kindesunterhalt der dritten Altersstufe abzgl. des jeweils hälftigen Kindergeldes zu zahlen sowie weiter verpflichtet wurde, einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.932 EUR zu zahlen.
Zur Begründung der Entscheidung hat das Familiengericht dargelegt, dass die Mutter zur Vertretung der beiden Kinder berechtigt sei, weil die Eltern ihre beiden Kinder nicht im "Wechselmodell" betreuten, sondern ein Residenzmodell vorläge. Zwar verfüge der Vater über ein erweitertes Umgangsrecht, aber der Schwerpunkt der Betreuung in zeitlicher Hinsicht liege bei der Mutter, so dass sie als Obhutselternteil im Sinn von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB anzusehen sei. In der Sache selbst sei der Antragsgegner verpflichtet, seinen beiden Kindern den jeweiligen Mindestunterhalt zu zahlen. Zwar habe der Antragsgegner seit dem 1.9.2014 nur noch staatliche Transferleistungen nach dem SGB II bezogen. Aber in der Zeit vom 1.5.2014 bis zum 30.11.2014 sei er - unstreitig - in Teilzeit (75 % bzw. 30 Wochenstunden) als Marketingleiter beschäftigt gewesen; bis Juli 2014 habe er hieraus ein Nettogehalt in Höhe von etwa 1.840 EUR (2.850 EUR brutto) bezogen. Ab August 2014 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses seien die Gehaltszahlungen ausgeblieben. In der Zeit von Februar 2012 bis April 2014 sei er arbeitslos gewesen und habe zunächst Arbeitslosengeld I und sodann Leistungen nach dem SGB II bezogen. Im Jahr 2011 habe er noch ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von etwa 2.060 EUR (3.350 EUR brutto) erzielt. Da der Antragsgegner nicht dargelegt habe, dass er sich seit der Beendigung seines letzten Arbeitsverhältnisses in dem gebotenen Maße um eine neue Arbeitsstelle bemüht habe, seien ihm unter Berücksichtigung seines Alters, seiner beruflichen Qualifikation, seiner Erwerbsbiographie und seines Gesundheitszustands fiktive Einkünfte in Höhe seines letzten Erwerbseinkommens, also in Höhe von 2.850 EUR brutto zuzurechnen. Auf einen Nettobetrag umgerechnet und um fiktiv zu berücksichtigende berufsbedingte Aufwendungen bereinigt, ergebe dies einen Monatsbetrag von etwa 1.750 EUR, der für Unterhaltszwecke zur Verfügung stünde. Mit diesem Betrag sei er auch nach Berücksichtigung eines Selbstbehalts von 1.080 EUR in der Lage, seinen beiden Kindern jeweils Unterhalt in Höhe von 272 EUR/Monat zu zahlen, so dass er zur entsprechenden Leistungen einschließlich der Zahlung des bestehenden Unterhaltsrückstands zu verpflichten sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft. Er meint, das Familiengericht habe ihm kein rechtliches Gehör gewährt, weil ihm eine mündliche Erörterung der Sache verweigert worden sei. Auch habe das Familiengericht den konkreten Einzelfall völlig außer Acht gelassen; es sei nicht berücksichtigt worden, dass die Kinder von ihm in ganz erheblichen Umfan...