Leitsatz (amtlich)
1. Liegt eine Geldbuße über der Geringfügigkeitsgrenze von 250 Euro, so müssen die Urteilsgründe grundsätzlich Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen enthalten.
2. Dies gilt dann nicht, wenn das Tatgericht auf die - ggf. nach § 3 Abs. 4a BKatV erhöhte - Regelgeldbuße erkennt und keine Anhaltspunkte für ein unter- oder überdurchschnittliches Einkommen vorhanden sind.
3. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen können auch dann erlässlich sein, wenn die Regelbuße lediglich um einen geringfügigen Betrag erhöht wird und sich die Bemessung ersichtlich noch an der Regelgeldbuße orientiert. Insbesondere bei einem zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen schweigenden Betroffenen gebietet es die gerichtliche Aufklärungspflicht dann nicht, Feststellungen durch ggf. mit schwerwiegenden Grundrechtseingriffen einhergehenden und zur Bedeutung der Tat und der Höhe der Geldbuße unverhältnismäßigen Maßnahmen zu treffen.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 04.12.2018; Aktenzeichen 318 OWi 951/18) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Dezember 2018 wird verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen eines vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoßes gemäß §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 (ergänzt: Spalte 3 Zeichen 274), 49 (ergänzt: Abs. 3 Nr. 4 StVO i.V.m. §§ 1 Abs. 1 und 2, 4 Abs. 1 Nr. 1 Tabelle 1, lfd. Nr. 11.3.8 BKatV, § 24 Abs. 1 StVG), 25 Abs. 1 StVG zu einer Geldbuße von 600 EUR verurteilt, ein zweimonatiges Fahrverbot festgesetzt und nach § 25 Abs. 2a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 22. Februar 2019 lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor.
II.
Die auf die Rüge des materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat keinen Erfolg.
1. Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Schuldspruch wendet, ist es aus den Gründen der dem Betroffenen bekannten Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft unbegründet (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).
2. Auch in Bezug auf den Rechtsfolgenausspruch bleibt der Rechtsbeschwerde der Erfolg versagt.
Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts, weshalb sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob dieses von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat; insoweit ist die getroffene Entscheidung bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren (vgl. etwa Senat, 2. August 2018 - 3 Ws (B) 202/18 -; OLG Hamm NZV 2008, 306; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, 278).
a) Die Verhängung des zweimonatigen Fahrverbots begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn der Gesetzgeber sieht für innerorts begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen von 51-60 km/h ausweislich der § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BKatV in Verbindung mit Tabelle 1 lit. c) Nr. 11.3.8 der Anlage zur BKatV regelmäßig die Anordnung eines (zweimonatigen) Fahrverbots neben der Verhängung einer Geldbuße vor. Von der Anordnung eines Fahrverbots kann daher nur dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt so erheblich vom Regelfall abweicht und deswegen Ausnahmecharakter besitzt, dass die Verhängung der regelhaften Sanktionen der BKatV, insbesondere die Anordnung eines Fahrverbots eine unangemessene Härte darstellt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 20. März 2018 - 3 Ws (B) 90/18 -, vom 18. Januar 2018 - 3 Ws (B) 338/17 - und vom 24. Februar 2016 - 3 Ws (B) 95/16 -; alle [juris]).
Das Amtsgericht hat sich im angefochtenen Urteil in noch ausreichender Weise mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, gemäß § 4 Abs. 4 BKatV von der Anordnung eines Fahrverbots abzusehen. Mit seiner Formulierung, es bedürfe der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots (UA S. 4), hat das Amtsgericht zugleich erkennbar gemacht, sich darüber bewusst gewesen zu sein, unter bestimmten Voraussetzungen nach Maßgabe von § 4 Abs. 4 BKatV auf die Verhängung eines Fahrverbots verzichten zu können. Näherer Feststellungen, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg auch mit einer erhöhten Geldbuße nicht zu erreichen wäre, bedurfte es nicht (vgl. BGHSt 38, 125).
b) Die Festsetzung der um 40 EUR erhöhten Regelgeldbuße begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht keine Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen getroffen hat.
Das Amtsgericht hat sich bei der Bemessung der Geldbuße am Regelsatz der hier einschlägigen laufenden Nr. 11.3.8 des Anhangs (Tabelle 1 lit. c) der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV orientiert, hat diese sodann nach § 3 Abs. 4a Satz 1 BKatV aufgrund der vorsätzlichen Begeh...