Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 21.12.2011; Aktenzeichen (563) 232/3022 PLs 6221/11 Ns (79/11)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 2011 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin durch das angefochtene Urteil verworfen. Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Die Revision hat (vorläufig) Erfolg.
1. Zum Tatgeschehen hat das Landgericht die folgenden Feststellungen getroffen:
Am 1. März 2011 setzte sich der erheblich alkoholisierte Angeklagte gegen 21:30 Uhr zu seinen Bekannten N., S. und P., die in einer Gaststätte Skat spielten. Während eines Spiels machte der Angeklagte S. und P. darauf aufmerksam, dass sich ihr Mitspieler N. überreizt hatte. Dieser reagierte erbost, warf die Karten durcheinander und begab sich zur Toilette. Sodann kehrte er zurück und setzte sich. Der Angeklagte stand auf und schlug dem Zeugen N. ohne Vorwarnung zweimal mit der Faust ins Gesicht, wodurch der Geschädigte eine Schädelprellung und Hämatome im Bereich der Augen erlitt.
Die Strafkammer hat angenommen, aufgrund seines Alkoholkonsums sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat erheblich gemindert gewesen. Hierzu hat sie Folgendes ausgeführt: Der Angeklagte habe angegeben, dass er zwischen 15:30 Uhr oder 16:00 Uhr und dem Betreten der Gaststätte gegen 18:00 Uhr oder 19:00 Uhr elf bis 14 Biere zu je 0,5 Liter sowie in der Gaststätte bis gegen 21:30 Uhr weitere sechs bis acht Biere zu je 0,5 Liter getrunken habe. Er habe sich erheblich alkoholisiert gefühlt, sei aber nicht "sturzbetrunken" gewesen. Die Kammer hat weiterhin dargelegt, dass sie sich bei der Prüfung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB der Hilfe eines Sachverständigen bedient habe, der anhand der vom Angeklagten genannten Trinkmengen eine ungefähre Berechnung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit vorgenommen habe. Nach dessen Berechnungen sei - ausgehend von 14 Flaschen Bier à 0,5 Liter und einem geschätzten Körpergewicht von 100 kg - eine maximal mögliche Blutalkoholkonzentration von 2,8 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X anzunehmen. In den sechs Stunden seit Trinkbeginn sei ein Alkoholabbau von 0,9 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X erfolgt, so dass die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit ca. 1,9 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X betragen habe. Eine völlige Aufhebung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit könne mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit sei zwar eher weniger wahrscheinlich, da der Angeklagte trotz seiner Alkoholisierung in der Lage gewesen sei, dem Kartenspiel zu folgen, könne aber nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Diesen Ausführungen habe sich die Kammer angeschlossen.
2. Die durch die Sachrüge veranlasste Überprüfung ergibt, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft ist.
Zwar ist die Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat jedoch auf die Sachrüge zu prüfen, ob dem Tatrichter hierbei Rechtsfehler unterlaufen sind. Fehlerhaft ist die Beweiswürdigung unter anderem dann, wenn sie in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 7. Oktober 2011 - (4) 1 Ss 429/11 (256/11) - und vom 12. Januar 2011 - (4) 1 Ss 3/11 (6/11) - m.w.Nachw.).
So verhält es sich hier. Die Ausführungen der Kammer zur Schuldfähigkeit des Angeklagten, für deren Beurteilung neben den konkreten Umständen des Tatgeschehens, der Persönlichkeit des Täters sowie dessen Leistungsverhalten vor, während und nach der Tat der Blutalkoholkonzentration ein erhebliches indizielles Gewicht zukommt (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Februar 2011 - (4) 1 Ss 17/11 (18/11) -), beruhen auf einer nicht nachvollziehbaren Berechnung der Blutalkoholkonzentration.
a) Unklar bleibt bereits, auf welche Weise der Sachverständige, dem sich die Kammer angeschlossen hat, die Blutalkoholkonzentration errechnet hat. Dies ist fehlerhaft. Denn es bedarf regelmäßig einer Darlegung der Methode - bei fehlender Blutprobe der Widmark-Formel -, wobei auch die Anknüpfungstatsachen wie Körpergewicht, Trinkbeginn und -ende, Mengenangaben und Alkoholgehalt sowie die der Berechnung zugrunde liegenden (Rück-)Rechnungswerte wie Resorptionsdefizit, Reduktionsfaktor und Abbaugeschwindigkeit mitzuteilen sind (vgl. Fischer, StGB 59. Aufl., § 20 Rdnr. 14 m.w.Nachw.).
Dem Urteil lassen sich maßgebliche Daten nicht entnehmen. So bleibt offen, ob die Strafkammer das Alkoholvolumen ungekürzt zu Grunde gelegt oder die maßgebliche Gramm-Zahl durch Multiplikation des Volumenwerts mit dem Faktor...