Leitsatz (amtlich)
Zur Entscheidung über die Zulässigkeit von Beschränkungen des Zugangs zu der Bibliothek eines Gerichts der ordentlichen Gerichtsbarkeit für gerichtsfremde Nutzer (hier im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie) hat nicht das Oberlandesgericht im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG zu entscheiden; hierfür ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.
Normenkette
EGGVG § 23; VwGO § 40
Tenor
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist unzulässig.
Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Rechtsanwalt in Berlin. Als solcher ist er als Pflichtverteidiger eines ... Beschuldigten in einer Strafsache tätig. Dort ist er zur Hauptverhandlung am 15. Mai 2020 und acht weiteren Terminen bis zum 29. Juni 2020 geladen worden.
Zur Umsetzung der im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie erlassenen Rechtsverordnungen des Senats von Berlin (SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung - SARS-CoV-2-EindmaßnV) wurde die Bibliothek des Kammergerichts ab dem 13. März 2020 für den allgemeinen Verkehr geschlossen und steht nur noch Mitarbeitern des Kammergerichts zur Verfügung.
Dem Antragsteller hat der Antragsgegner letztmals am 24. April 2020 den - persönlichen - Zugang zur Bibliothek verweigert. Hiergegen wendet er sich mit seinem am 27. April 2020 eingegangen Antrag vom 25. April 2020.
Der Antragsteller trägt vor, als Einzelanwalt sei er auf die Bücherei des Kammergerichts angewiesen, weil es keine andere Bücherei mit dem besonderen aktuellen Literaturbestand gebe. Er habe ein Recht auf die Möglichkeit, sich in dem Maße auf die Verhandlung vorzubereiten wie die Richterinnen des Landgerichts, denen die dortige Bücherei zur Verfügung stehe. Die dazu notwendige Literatur könne er aus räumlichen und finanziellen Gründen nicht vorhalten.
II. Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit sogleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges, § 17 a Abs. 2 S. 1 GVG. Das ist hier geboten.
1. Der von dem Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf Zugang zur Bibliothek des Kammergerichts ist öffentlich-rechtlicher Art. Über daraus folgende Streitigkeiten haben die Verwaltungsgerichte zu entscheiden, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Eine hiervon abweichende Zuweisung an ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist nicht gegeben. Insbesondere liegen hier die Voraussetzungen eines Verfahrens nach §§ 23ff EGGVG nicht vor.
a) Über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege getroffen werden, entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte, § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG.
Diese besondere Rechtswegzuweisung beruht auf der Annahme, dass die ordentlichen Gerichte den Verwaltungsmaßnahmen in den aufgeführten Gebieten sachlich näher stehen als die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit und über die zur Nachprüfung justizmäßiger Verwaltungsakte erforderlichen zivil- und strafrechtlichen Erkenntnisse und Erfahrungen verfügen. Als Ausnahme zu § 40 Abs. 1 VwGO ist die Bestimmung eng auszulegen. Ihre Anwendung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich die vom Gesetz vorausgesetzte Sachnähe der zur Überprüfung berufenen ordentlichen Gerichtsbarkeit tatsächlich feststellen lässt (BGH, NJW 2007, 3070, 3071; 2003, 2989, 2990). Dafür ist es erforderlich, dass die in Rede stehende Amtshandlung in Wahrnehmung einer Aufgabe vorgenommen wird, die der jeweiligen Behörde als ihre spezifische Aufgabe auf einem der in § 23 Abs. 1 EGGVG aufgeführten Rechtsgebieten zugewiesen ist (BGH, NJW 1989, 587, 588). Das ist vorliegend nicht der Fall.
b) Der Betrieb einer Gerichtsbibliothek und die Regelung ihres Zugangs für gerichtsfremde Personen stehen in keinem Zusammenhang mit einem der genannten Rechtsgebiete.
Besonderer zivil- oder strafrechtlicher Erkenntnisse oder Erfahrungen bedarf es bei der von dem Antragsteller angestrebten Entscheidung nicht.
Daran ändert es nichts, dass das Kammergericht zur ordentlichen Gerichtsbarkeit des Landes Berlin gehört, § 1 Nr. 1 AGGVGBerlin. Das Vorhalten einer Bibliothek ist keine Besonderheit dieser Gerichtsbarkeit; vielmehr werden solche Einrichtungen auch von Gerichten der übrigen Gerichtsbarkeiten betrieben und stehen Rechtsanwälten in der Regel in ähnlichem Umfang zur Nutzung zur Verfügung (vgl. Benutzungsordnung für die Bibliothek des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. März 2020; Benutzungsordnung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. September 2002; zu derzeit zum Teil ähnlichen Zugangsbeschränkungen vgl. https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/service/bibliothek/ www.bundesarbeitsgericht.de/dasgericht/bibliothek.html).
2. Die Beteiligten sind am 7. Mai 2020 durch ...