Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer AVK-Klausel in der Berufsunfähigkeitsversicherung, die den Versicherungsfall "Berufsunfähigkeit" vertraglich festlegt und mit der Einschränkung verbindet, dass keine Berufsunfähigkeit vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer aus einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit 80 % des bisher verfügbaren beruflichen Einkommens oder mehr erzielt.
Der Begriff "verfügbares Einkommen" bezieht sich auf das Nettoeinkommen, also auf den um Steuern und Sozialabgaben verminderten Verdienst eines Arbeitnehmers.
Die betreffende Klausel beinhaltet keine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 7 O 169/10) |
Tenor
In dem Rechtsstreit L./. P.L.AG wird auf die Berufung des Klägers gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf Folgendes hingewiesen:
Nach Vorberatung der Sache beabsichtigt der Senat, die Berufung des Klägers gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Der Senat misst dem Berufungsvorbringen des Klägers keine Erfolgsaussicht bei. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert sie eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil.
Das LG hat einen Anspruch des Klägers auf (weitere) Versicherungsleistungen aus der geschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung mit Recht verneint, weil nach den vertraglichen Vereinbarungen Berufsunfähigkeit nicht vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer tatsächlich eine Erwerbstätigkeit ausübt und daraus ein Einkommen i.H.v. 80 % des bisherigen Einkommens bezieht, § 2 Nr. 1b der MACURA-Bedingungen 2002 (AVB). Unstreitig hat der Kläger, der nach einem Unfall im Jahr 2004 seine Berufstätigkeit als Architekt aufgeben musste und Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung von der Beklagten erlangt hatte, im Jahr 2007 erneut eine Tätigkeit als Architekt mit einem Jahreseinkommen von mehr als 80 % des bis 2004 erzielten Jahreseinkommens aufgenommen.
Der Senat vermag den vom Kläger gegen das zutreffende Urteil des LG vorgebrachten Angriffen nicht zuzustimmen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Bestimmung in § 2 Nr. 1b AVB unwirksam sei.
Mit Recht misst der Kläger die AVB, bei denen es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, an den dafür geltenden Gesetzesbestimmungen in §§ 305 ff BGB sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung. Die Klausel hält aber einer Überprüfung anhand der danach anzulegenden Maßstäbe stand.
Gründe
I. Eine Benachteiligung der Versicherungsnehmer kann der Beklagten entgegen der Ansicht des Klägers nicht mit der Begründung vorgeworfen werden, die in § 2 Nr. 1 AVB getroffene Regelung sei unangemessen, weil die Beklagte damit entgegen den Geboten von Treu und Glauben einseitig eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versuche, ohne auch deren Interessen hinreichend zu berücksichtigen. Bei richtigem Verständnis der Klausel, das sich auch einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließt, der sich ernstlich mit dem Inhalt beschäftigt, trifft dieser Vorwurf nicht zu.
§ 2 Nr. 1 AVB enthält die Beschreibung des versicherten Risikos " Berufsunfähigkeit", legt also die Anspruchsvoraussetzungen für die vereinbarte Versicherungsleistung fest.
Anspruchsvoraussetzung ist danach zum einen, dass der Kläger seinen Beruf, so wie er ohne die gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, ohne zumutbare Anstrengungen (die im Einzelnen bezeichnet sind) zu 50 % nicht mehr ausüben kann, und zum anderen, dass er aus einer Erwerbstätigkeit tatsächlich kein Einkommen bezieht, das 80 % des bisher verfügbaren beruflichen Einkommens erreicht oder übersteigt.
Die weite Risikobeschreibung in Nr. 1a der Klausel, wonach es für die Berufsunfähigkeit auf die konkret ausgeübte Berufstätigkeit des Versicherungsnehmers ankommen soll, wird durch die Bestimmung in Nr. 1b begrenzt. Danach soll -sowohl der angestellte wie auch der selbständig tätige- Versicherungsnehmer, der seine bisherige, konkret ausgeübte Berufstätigkeit zwar nicht mehr in einem bestimmten, vertraglich festgelegten Umfang ausüben kann, unter den genannten Voraussetzungen dennoch keinen Leistungsanspruch haben.
1. Der Kläger beanstandet konkret die Regelung in Nr. 1b der Klausel, deren Reichweite zweifelhaft sei. Die Reichweite der strittigen Risikobegrenzung ist indes durch Auslegung zweifelsfrei zu ermitteln. Sie wird durch den Bezug auf das bisher verfügbare Einkommen und die Angabe einer Prozentzahl (80 %) in ausreichender Weise festgelegt. Das gilt insbesondere auch für den Begriff "verfügbares Einkommen", der nach Auffassung des Senats in dem hier gegebenen Zusammenhang das Nettoeinkommen betrifft. Zweifel über den Inhalt können bei einem durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer nicht entstehen, gerade wenn man auf das Verständnis von Nichtjuristen abstellt. Ist die Höhe des Einkommens einer Person von Interesse, ist es allgemein üblich zwischen dem Brutto- und dem Nettoeinkommen zu unterscheiden. Beide...