Entscheidungsstichwort (Thema)
Streit verschiedener Gerichte um die Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die formal ordnungsgemäße Verweisung eines Prozesskostenhilfeverfahrens bindet das darin bezeichnete Gericht hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit für dieses Verfahren, nicht jedoch für das gegebenenfalls folgende Klageverfahren.
Es darf die erforderliche Erfolgsaussicht nicht allein mit der Begründung verneinen, es halte sich für die Entscheidung des beabsichtigten Rechtsstreits nicht für zuständig.
Der Streit verschiedener Gerichte um die Zuständigkeit darf die materielle Prüfung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht verhindern.
Normenkette
ZPO §§ 114, 281
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 10.01.2008; Aktenzeichen 33 O 526/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 23.1.2008 wird der Beschluss des LG Berlin vom 10.1.2008 - 33 O 526/07 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG Berlin zurück verwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Mit seinem an das AG Mitte gerichteten Antrag vom 23.7.2007 hat der Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage begehrt, deren Wert er auf 4.500 EUR geschätzt hat. Der in Aussicht genommene Beklagte hat in seiner Stellungnahme zu dem Antrag nicht nur dargelegt, warum die beabsichtigte Klage seiner Ansicht nach keine Aussicht auf Erfolg habe, sondern auch deren Wert auf mindestens 6.500 EUR geschätzt und die Klage vor dem angerufenen Gericht für unzulässig gehalten. Nach Hinweis an die Parteien, es halte eine Wertfestsetzung i.H.v. bis zu 10.000 EUR für angemessen, hat das AG Mitte den Wert für das Prozesskostenhilfeverfahren mit Beschluss vom 10.12.2007 auf über 5.000 EUR festgesetzt und das Verfahren auf den vorsorglich gestellten Antrag des Antragstellers hin an das LG Berlin verwiesen.
Mit Beschluss vom 10.1.2008 hat das LG Berlin den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, die beabsichtigte Klage habe im Hauptverfahren keine Aussicht auf Erfolg, weil das Gericht für die beabsichtigte Klage keine Zuständigkeit des LG gegeben sehe; es halte den Beschluss vom 10.12.2007 für falsch.
Gegen diesen am 14.1.2008 zugestellten Beschluss wendet sich die am 23.1.2008 eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers, der sich dadurch "offensichtlich rechtlos gestellt" fühlt.
Das LG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 5.3.2008 nicht abgeholfen und die Sache dem KG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die nach § 568 ZPO durch den Einzelrichter zu entscheidende sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 569, 571 ZPO).
Die sofortige Beschwerde ist begründet, weil in der hier gegebenen Verfahrenssituation ein Mangel der erforderlichen Aussicht auf Erfolg nicht daraus abgeleitet werden kann, das LG sei für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht zuständig.
Wird ein Prozesskostenhilfeverfahren formal ordnungsgemäß an ein Gericht verwiesen, ist dieses für die weitere Gestaltung des Prozesskostenhilfeverfahrens hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit daran gebunden. Lehnt es dennoch die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage allein mit der Begründung ab, es halte sich für die Verhandlung und Entscheidung des beabsichtigten Rechtsstreits nicht zuständig, so liefe das auf das mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbare Ergebnis hinaus, dass dem Antragsteller eine sachliche Prüfung seines Anliegens allein unter Hinweis auf eine vermeintlich fehlende gerichtliche Zuständigkeit versagt bliebe (Bundesarbeits-gericht, Beschl. v. 27.10.1992 - 5 AS 5/92 -, NJW 1993, 751 f.; BGH, Beschl. v. 5.6.1991 - XII AZR 14/91 -, NJW-RR 1991, 1342, 1343; KG, Beschl. v. 9.3.2006 - 22 W 33/05 -, OLG Report 2006, 559). Da die Bindungswirkung der Verweisung nur das Prozesskostenhilfeverfahren erfasst, bleibt es dem LG unbenommen, für den Fall, dass nach materieller Prüfung eine hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen und Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, die Frage seiner Zuständigkeit erneut zu prüfen und den dann rechtshängigen Rechtsstreit unter Beachtung der dafür erforderlichen Formalitäten mit Bindungswirkung an das AG (zurück) zu verweisen.
Da in dem angefochtenen Beschluss die Bewilligung von Prozesskostenhilfe allein wegen der vermeintlich fehlenden Zuständigkeit versagt worden ist, während eine Sachprüfung nicht erfolgt ist, war die Aufhebung und Zurückverweisung angezeigt, um dem LG die gebotene materielle Prüfung zu ermöglichen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 127 Rz. 38).
III. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 1978491 |
MDR 2008, 707 |
OLGR-Ost 20... |