Leitsatz (amtlich)

Auch im Verhältnis der Gartenflächen-Sondernutzungsberechtigten untereinander besteht bei überwachsenden Zweigen das Selbsthilferecht der Grundstücksnachbarn nach § 910 BGB. Die in § 910 BGB gewollte Umkehrung der Parteirollen im Prozess verbietet eine Titulierung genereller Unterlassungsansprüche zur Abwehr des Selbsthilferechts.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 06.04.2004; Aktenzeichen 85 T 498/02 WEG)

AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 11.10.2002; Aktenzeichen 70-II 694/01 WEG)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Sache insoweit an das LG zurückverwiesen wird, als noch über den Schadensersatzanspruch des Antragstellers zu entscheiden ist.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen. Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer der Anlage. Im vorliegenden Verfahren nimmt der Antragsteller die Antragsgegner darauf in Anspruch, es zu unterlassen, die auf seiner Sondernutzungsfläche befindlichen Pflanzen bei einem Überwachsen auf deren Sondernutzungsflächen im Wege der Selbsthilfe zurückzuschneiden, und ihm Schadensersatz für den bisher erfolgten Rückschnitt dieser Pflanzen zu leisten.

Auf dem Eckgrundstück stehen acht Reihenhäuser, die sich in zwei rechtwinklig zueinander stehenden Gebäuderiegeln zu drei bzw. fünf Reihenhäusern aufteilen. Von der Straße aus gesehen befinden sich hinter den Reihenhäusern Gartenflächen, an denen Sondernutzungsrechte begründet sind. An das in der Mitte von fünf Reihenhäusern liegende Reihenhaus des Antragstellers mit der dahinter liegenden Sondernutzungsfläche grenzen links das Reihenhaus und die anschließende Sondernutzungsfläche der beiden Antragsgegner zu 1) und 2). An die ca. sechs Meter lange hintere Grenze des Sondernutzungsrechts des Antragstellers grenzt die querliegende Sondernutzungsfläche der Antragsgegnerin zu 3).

Nach der notariellen Teilungserklärung vom 9.12.1976 ist in der anliegenden Gemeinschaftsordnung unter § 4 u.a. zu Nr. 3. geregelt:

"Die Gartenfläche wird von der (teilenden) Eigentümerin auf deren Kosten in der Erstanlage und in der Erstbepflanzung erstellt bzw. angelegt. Die Zaungestaltung obliegt den Wohnungseigentümern. Sie muss einheitlich erfolgen. Die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten sind berechtigt, die ihnen zugeteilte Gartenfläche gärtnerisch zu gestalten. Die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten sind verpflichtet, den ihnen zugeordneten Teil der Gartenfläche auf ihre Kosten zu unterhalten und zu pflegen."

Der Antragsteller hat an den Grenzen seiner Sondernutzungsfläche Pflanzen gepflanzt, welche in die Höhe und die Breite wachsen, so dass sie auf die benachbarten Sondernutzungsflächen hinüberragen. Durch den rechtskräftig gewordenen Beschluss des AG Charlottenburg vom 26.7.1991 ließ der Antragsteller den Antragsgegnern zu 1) und 2) untersagen, dass diese einen Rückschnitt der Sträucher von ihrer Seite aus bis über die Grenze zur Sondernutzungsfläche des Antragstellers vornehmen. Im vorliegenden Verfahren geht es um den Rückschnitt der Pflanzen, die von der Sondernutzungsfläche des Antragstellers auf die Sondernutzungsflächen der Antragsgegner hinüberwachsen und nach der Behauptung der Antragsgegner bis zu 50 cm oder auch 70 cm hinüberragen. Die Antragsgegner fühlen sich durch den Überwuchs während der Vegetationsperiode auf ihren schmalen Sondernutzungsflächen beeinträchtigt und möchten im Laufe der Vegetationsperiode jährlich etwa dreimal selbst einen Rückschnitt vornehmen. Demgegenüber will der Antragsteller den Rückschnitt erst nach Abschluss der Vegetationsperiode einmal jährlich im Oktober/November vornehmen und die gewonnenen Zweige für die Wintereindeckung auf einem Friedhof benutzen.

Im Spätsommer 2001 forderten sowohl die Antragsgegner als auch die Verwalterin den Antragsteller zum Rückschnitt der über die Grenzen seiner Sondernutzungsfläche hinausragenden Pflanzen erfolglos auf. Daraufhin nahmen die Antragsgegner zu 1) und 2) einen Rückschnitt der Pflanzen etwa am 15.10.2001 vor.

Mit der Antragsschrift vom 30.11.2001 hat der Antragsteller beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, die Anpflanzungen auf der Sondernutzungsfläche Nr. 6 zu beschneiden oder beschneiden zu lassen, auch wenn zeitweise ein geringer Überhang der Anpflanzungen auf die anderen Gartenflächen besteht. Ferner hat der Antragsteller beantragt, die Antragsgegner zur Zahlung eines Schadensersatzes i.H.v. 250 DM als Ersatz für die abgeschnittenen Zweige zu verpflichten.

Das AG hat mit Beschl. v. 11.10.2002 die Anträge zurückgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem LG am 6.4.2004 hat der Antragsteller seinen Unterlassungsantrag präzisiert. Das LG hat mit dem angefochtenen Beschl. v. 6.4.2004 die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewie...

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