Leitsatz (amtlich)

Eine von den Eltern seit der Geburt des Kindes im Jahr 2015 kontinuierlich praktizierte Umgangsregelung im Wechselmodell, über die sie später auch eine entsprechende, gerichtlich gebilligte Elternvereinbarung zum Umgang abgeschlossen haben, kann, wenn sich ein Elternteil von der Vereinbarung lösen will und eine neue Regelung des Umgangs im "Lebensmittelpunkt-Modell" anstrebt, nur abgeändert werden, wenn hierfür triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe im Sinn von § 1696 Abs. 1 BGB vorliegen.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 133 F 1746/17)

 

Tenor

Die Beschwerde der Mutter und die Anschlussbeschwerde des Vaters gegen den am 26. März 2018 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg - 133 F 1746/17 - werden zurückgewiesen.

Den Eltern wird aufgegeben, regelmäßig Beratungsgespräche bei einer Erziehungsberatungsstelle zu führen, wobei diese Gespräche durch zwei Berater moderiert werden sollen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen Mutter und Vater jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt jeder Elternteil selbst.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Mutter, die mit dem Vater nicht verheiratet ist oder war, aber mit ihm gemeinsam die elterliche Sorge für die heute fast drei Jahre alte T... ausübt, wendet sich gegen den am 26. März 2018 erlassenen Beschluss des Familiengerichts, mit dem im Rahmen eines Umgangs-Abänderungsverfahrens ein paritätisches Wechselmodell angeordnet wurde. Sie strebt eine Umgangsregelung im Verhältnis 5 Tage Vater zu 9 Tage Mutter an; der Lebensmittelpunkt des Kindes soll in ihrem Haushalt liegen. Der Vater tritt der Beschwerde entgegen und erhebt Anschlussbeschwerde mit dem Ziel, den Umgang so zu regeln, dass der Lebensmittelpunkt des Kindes im Ergebnis in seinem Haushalt liegt.

Die Entscheidung ist vor folgendem Hintergrund zu sehen: Aus der von den Eltern etwa im Herbst 2014 aufgenommene Beziehung ging im September 2015 die gemeinsame Tochter T... hervor. Beide Eltern lebten etwa sechs Monate gemeinsam mit T... und mit G..., dem etwas älteren (Halb-) Bruder von T... aus einer früheren Beziehung der Mutter in der Wohnung des Vaters. Im Frühjahr 2016, nach etwa 11/2 Jahren, endete die Beziehung der Eltern mit dem Auszug der Mutter. In der Folgezeit lebte T... zunächst im Haushalt des Vaters, der das Kind pflegte und betreute. Seit September 2016 - T... war ein Jahr alt - besuchte das Kind werktäglich von etwa 9 Uhr bis etwa 15/16 Uhr eine Kindertagesstätte, wobei T... von Mutter und Vater wechselnd gebracht bzw. geholt wurde. Ebenfalls im September 2016 wurde bei der Mutter eine Tumorerkrankung diagnostiziert, die bis etwa März 2017 erfolgreich behandelt wurde. Nachdem die Mutter im Sommer 2016 einen Wechsel des Kindes in ihren Haushalt forderte, schlossen beide Eltern am 11. Oktober 2016 eine gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung (Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg 133 F 15007/16), wonach T... jede Woche von Donnerstag nach der Kita bis Montag zur Kita beim Vater war (ca. 4 Tage) und von Montag nach der Kita bis Donnerstag zur Kita (ca. 3 Tage) bei der Mutter. Die Umgangsabrede wurde von den Eltern im vorliegenden Verfahren am 18. April 2017 einvernehmlich dahingehend angepasst, dass T... sich an den Wochenenden der ungeraden Wochen von Samstag 11 Uhr bis zum Mittwoch der Folgewoche zur Kita im Haushalt der Mutter aufhält. Der Mutter sollte auf diese Weise ermöglicht werden, auch Wochenenden mit der gemeinsamen Tochter zu verbringen.

Mit dem vorliegenden, im Februar 2017 anhängig gemachten Antrag strebte die Mutter eine Abänderung der Umgangsvereinbarung an. Sie wollte, dass der Umgang im "Lebensmittelpunkt-Modell" geregelt wird; der Vater sollte Umgang haben von Freitag nach der Kita bis Montag zur Kita und in der Folgewoche von Donnerstag nach der Kita bis Freitag zur Kita, so dass er innerhalb eines 14-Tages-Block etwa 4 Tage Umgang hätte. Zur Begründung führte sie aus, die im Oktober 2016 vereinbarte Umgangsregelung habe ein "Umgangsübergewicht" des Vaters zur Folge. Seit dem Tag, an dem die Vereinbarung abgeschlossen worden sei, habe sich gezeigt, dass die Regelung dem Kindeswohl zuwider liefe. Denn T... habe keinen Lebensmittelpunkt und sie als Mutter könne kein Wochenende mit dem Kind verbringen. Auf die Umgangsvereinbarung habe das Kind mit Belastungssymptomen und Verlustängsten reagiert; T... leide unter fortwährenden Bronchialinfekten. Der Vater lehne es ab, mit ihr zu kommunizieren. Die Kommunikation mit ihm sei sehr schwierig.

Der Vater trat dem Antrag entgegen. Er trägt vor, T... entwickle sich unter der bestehenden Umgangsregelung prächtig, ohne dass es zu größeren Problemen komme. Er verweist darauf, die Mutter und er seien bereits während der Schwangerschaft übereingekommen, dass vorrangig er sich um das Kind kümmern solle. Er meint, die Mutter verhalte sich in ihrer Stimmung ihm gegenüber sehr wechselhaft und unstet. Dazu v...

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