Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 10.10.2023; Aktenzeichen 572 Ns 41/23) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 10. Oktober 2023 wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden, verworfen.
Lediglich ergänzend merkt der Senat an:
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 143a Abs. 4 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag des Angeklagten auf Aufhebung der Bestellung des Pflichtverteidigers zu Recht abgelehnt.
Nach § 143a Abs. 3 Satz 1 StPO ist die Bestellung des bisherigen Pflichtverteidigers für die Revisionsinstanz aufzuheben und ein neuer, vom Beschuldigten bezeichneter Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn er dies spätestens binnen einer Woche nach Beginn der Revisionsbegründungsfrist beantragt und der Bestellung des bezeichneten Verteidigers kein wichtiger Grund entgegensteht. Die mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I 2128) eingeführte Vorschrift setzt nach dem Wortlaut die konkrete Benennung eines neuen Pflichtverteidigers voraus. Nach der Gesetzesbegründung ist die Bezeichnung des neuen Verteidigers durch den Beschuldigten vor dem Hintergrund erforderlich, dass eine Auswahl von Amts wegen nicht stattfindet (vgl. BT-Drs. 19/13829, Seite 49). Aus diesem Grund verweist § 143a Abs. 3 StPO auch - anders als § 143a Abs. 2 Satz 2 StPO für die in dessen Satz 1 geregelten Fälle des Verteidigerwechsels - nicht auf § 142 Abs. 6 StPO. Nach der Rechtsprechung des Kammergerichts und der einhelligen Meinung im Schrifttum ist deshalb die Bezeichnung eines neuen Verteidigers Voraussetzung des Verteidigerwechsels nach § 143a Abs. 3 StPO (vgl. KG, Beschluss vom 9. Mai 2023 - 4 Ws 23/23 - juris mwN; Kämpfer/Travers in MüKo/StPO, 2. Aufl., § 143a Rn. 23; Willnow in KK, StPO 9. Aufl., § 143a Rn. 15; Krawczyk in BeckOK/StPO, 46. Edition, § 143a Rn. 39).
Daran fehlt es hier. Der Angeklagte hat in seinem form- und fristgerecht angebrachten Entpflichtungsantrag vom 26. September 2023 keinen Rechtsanwalt bezeichnet, sondern lediglich um "einen neuen Pflichtverteidiger zur Begründung meiner Revision" gebeten. Auch in der Folgezeit hat er keinen Rechtsanwalt benannt. An den Voraussetzungen eines Verteidigerwechsels nach § 143a Abs. 3 StPO fehlt es deshalb ungeachtet der Frage, ob der neue Verteidiger bereits im Antrag zu benennen war oder ob dies - jedenfalls innerhalb der Frist des § 143a Abs. 3 Satz 1 StPO - noch hätte nachgeholt werden können (vgl. KG aaO).
- Auch die Voraussetzungen der nunmehr ausdrücklich in § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO geregelten Möglichkeit der Aufhebung der Bestellung des Pflichtverteidigers für den Fall, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört ist oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist, liegen nicht vor. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Vorschrift das Ziel, zwei von der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Fälle des Rechts auf Verteidigerwechsel zu normieren. Insofern kann für die Frage, wann im Einzelnen eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu bejahen ist, auf die in dieser Rechtsprechung dargelegten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. BT-Drucks. 19/13829, Seite 48; BGH StraFo 2020, 199; KG aaO mwN).
Die pauschale Begründung des Entpflichtungsantrags des Angeklagten mit der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses und den bereits zuvor unternommenen Versuchen der Entpflichtung des Verteidigers ist nicht geeignet, einen Verteidigerwechsel nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO zu rechtfertigen. Voraussetzung der Annahme eines wichtigen Grundes für die Ersetzung des Pflichtverteidigers ist vielmehr, dass konkrete Tatsachen vorgetragen und gegebenenfalls nachgewiesen werden, aus denen sich ergibt, dass eine nachhaltige und nicht zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses vorliegt und daher zu besorgen ist, dass die Verteidigung objektiv nicht (mehr) sachgerecht geführt werden kann (vgl. BVerfG NJW 2001, 3695, 3697; BGH NStZ 2021, 60; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 66. Aufl., § 143a Rn. 19 ff.).
Der in dem Entpflichtungsantrag erhobene pauschale und unbelegte Vorwurf des Angeklagten, Rechtsanwalt W handele gesetzwidrig und nicht in seinem Namen und richte ihm damit moralischen und materiellen Schaden an, ist - wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat - zu unkonkret, um den Schluss auf eine ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses zuzulassen. Dasselbe gilt für die nicht näher ausgeführte Behauptung in der Beschwerdeschrift, Rechtsanwalt W habe sein Vertrauen missbraucht und "dreist seinen oben beschriebenen Plan umgesetzt".
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Fundstellen
Haufe-Index 16235285 |
ZAP 2024, 210 |
StraFo 2024, 104 |
FuNds 2024, 702 |