Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung der Tagessatzhöhe bei Untersuchungshäftlingen. Anwendung des § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung
Leitsatz (amtlich)
1. Einen Anspruch auf Taschengeld haben nach § 25 Abs. 7 Satz 1 UVollzG Bln bedürftige Untersuchungsgefangene. Das Taschengeld beträgt 14 Prozent der so genannten Eckvergütung.
2. § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB erfordert eine Überschreitung nicht nur der Anzahl der Tagessätze der Einsatzstrafe, sondern auch der Geldstrafenendbeträge sowohl der Einsatzstrafe als auch sämtlicher in die Gesamtstrafe einbezogener Einzelstrafen.
3. Haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zwischen dem ersten (rechtskräftigen) Straferkenntnis und dem Zeitpunkt der nachträglichen Gesamtstrafenbildung verschlechtert, so rechtfertigt § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB nur eine solche Abweichung von der nach § 40 Abs. 2 Satz 1 StGB zu ermittelnden Tagessatzhöhe, die unumgänglich ist, um die erforderliche Erhöhung der Einsatzstrafe zu ermöglichen.
Normenkette
StGB §§ 40, 42, 54 Abs. 1 S. 2, § 55; UVollzG Bln § 25 Abs. 7
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 07.10.2019; Aktenzeichen (581) 274 Js 1335/18 Ns (14/21)) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Oktober 2021 im Rechtsfolgenausspruch
a) dahingehend abgeändert, dass die Höhe der einzelnen Tagessätze hinsichtlich der Einzelstrafen für die Taten vom 19. Januar 2018 und vom 18. Juni 2019 auf jeweils 1,- Euro festgesetzt wird;
b) dahingehend ergänzt, dass dem Angeklagten gestattet wird, die Gesamtgeldstrafe in monatlichen Teilbeträgen von 40 (vierzig) Euro, beginnend mit dem auf die Bekanntgabe dieser Entscheidung folgenden übernächsten Monat, jeweils bis zum 15. eines Monats zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn der Angeklagte schuldhaft einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt.
2. Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 17. Oktober 2018 wegen (unerlaubten) Besitzes von Betäubungsmitteln (Tatzeitpunkt: 19. Januar 2018) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Anschließend verurteilte das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten am 26. Mai 2020 wegen Diebstahls und wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung (Tatzeitpunkte 18. Juni 2019 und 24. Juli 2019) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten (Einzelstrafen: sechs und sieben Monate Freiheitsstrafe).
Gegen die Urteile des Amtsgerichts Tiergarten vom 17. Oktober 2018 und vom 26. Mai 2020 hat der Angeklagte jeweils Berufung eingelegt und diese in der Berufungshauptverhandlung am 14. August 2020 - in der beide Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind - mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Auf die Berufungen des Angeklagten hat das Landgericht die Urteile des Amtsgerichts Tiergarten abgeändert und den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das vorstehend genannte Urteil des Landgerichts Berlin mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen, da sich die Festsetzung der Einzelstrafen als rechtsfehlerhaft erwiesen hatte.
Mit Urteil vom 7. Oktober 2021 erkannte das Landgericht Berlin wegen des (unerlaubten) Besitzes von Betäubungsmitteln auf eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je fünf Euro und bildete unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer nicht verfahrensgegenständlichen Verurteilung des Amtsgerichts Tiergarten vom 3. April 2017 (in Verbindung mit einem Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. April 2018) eine Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je fünf Euro. Darüber hinaus erkannte es auf eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je fünf Euro wegen des Diebstahls und auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen der versuchten Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung; aus diesen beiden Einzelstrafen bildete es eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten.
Hiergegen richtet sich die (erneute) Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
II.
Die zulässige Revision erweist sich lediglich hinsichtlich des Ausspruchs über die Tagessatzhöhe betreffend die Taten vom 19. Januar 2018 und vom 18. Juni 2019 und hinsichtlich der Nichtgewährung von Zahlungserleichterungen für die Gesamtgeldstrafe als begründet. Insoweit hält der Strafausspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die Festsetzung der Einzelstrafen in dem angefochtenen Urteil erweist sich für die vorstehend genannten Taten als rechtsfehlerhaft. Zwar begegnet die von der Strafkammer jeweils ausgeurteilte Anzahl der Tagessätze keinen Bedenken. Anders verhält es sich indes mit der Festsetzung der Höhe der Tagessätze. Die Bemessung der T...