Leitsatz (amtlich)

Ein Wechselmodell darf grundsätzlich nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 11.10.2012; Aktenzeichen 156 F 11709/11)

 

Tenor

Die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 11.10.2012 - 156 F 11709/11 - wird zurückgewiesen, mit folgender Maßgabe:

1. Den Eltern wird aufgegeben, einen Antrag beim Jugendamt Lichtenberg zur stellen, auf Aufnahme ihres Kindes in eine Trennungs- und Scheidungskindergruppe.

2. Den Eltern wird aufgegeben, Elterngespräche bei einer Erziehungs- und Familienberatungsstelle (EFB) zu führen, wobei vorzugsweise zunächst Einzelgespräche zu führen sind, mit dem Ziel gemeinsamer Gespräche zur Verbesserung der Kommunikation.

3. Der Mutter wird aufgegeben, einen Antrag beim Jugendamt Lichtenberg von Berlin zu stellen, auf Bewilligung von Hilfen zur Erziehung gem. §§ 27 ff. SGB VIII (Erziehungsbeistand) und mit dem Beistand zusammenzuarbeiten.

4. Die Eltern haben die erforderlichen Anträge zur Erfüllung der Auflagen bis spätestens 19.4.2013 zu stellen und dies dem Jugendamt Lichtenberg von Berlin und der Verfahrensbeiständin anzuzeigen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die nicht miteinander verheirateten Eltern begehren wechselseitig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind L.L., geboren am ... Das Sorgerecht steht ihnen aufgrund einer am 10.5.2007 abgegebenen Sorgeerklärung gemeinsam zu.

Die am 19.12.1986 geborene Mutter hat einen Realschulabschluss. Sie begann zunächst eine Ausbildung als Friseurin, beendete diese jedoch ohne Abschluss. Im Jahr 2007 begann sie eine Ausbildung in einer Bäckerei, die sie ebenfalls nicht beendete. Die Mutter war jedenfalls in der Vergangenheit psychisch krank. Sie hat sich mehrfach selbst Schnittverletzungen zugefügt. Ab September 2007 begab sie sich für mehrere Monate in eine Klinik in Hamburg. Seit Juli 2009 befand sie sich in regelmäßiger verhaltenstherapeutischer Behandlung; diese Behandlung wird nicht mehr fortgeführt. Zur Zeit ist sie im Rahmen einer arbeitsmarktpolitische Maßnahme (Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, MAE) im sozialpädagogischen Bereich tätig, täglich von 8.00 Uhr bis 14.15 Uhr. Sie lebt in einer Dreizimmerwohnung in Berlin Neu-Hohenschönhausen.

Der am 20.2.1984 geborene Vater hat eine Ausbildung als Maurer abgeschlossen und ist als Haustechniker im Bundesministerium für Gesundheit tätig. Er lebt seit 2009 mit seiner Lebensgefährtin in der gemeinsamen Vierzimmerwohnung; ebenfalls in Berlin Neu-Hohenschönhausen. Die Lebensgefährtin des Vaters arbeitet in der ambulanten Krankenpflege.

Das Kind lebte bis Ende 2005 im gemeinsamen Haushalt der Eltern. Anfang 2006 zog der Vater aus und das Kind lebte im Haushalt der Mutter. Der Vater brach den Kontakt zur Mutter und zum Kind nach dem Auszug zunächst ab; nach einige Zeit fand Umgang stand.

Seit August 2007 lebt L.im Haushalt des Vaters. Den Grund für diesen Wechsel des Lebensmittelpunktes stellen die Eltern unterschiedlich dar. Nach Angaben der Mutter erfolgte der Wechsel wegen ihres im September 2007 beginnenden Klinikaufenthalts. Der Vater bringt vor, der Wechsel sei wegen der Ausbildung erfolgt, welche die Mutter damals begonnen hat. Während ihres Klinikaufenthalts hatte die Mutter keinen Kontakt zum Kind. Auch im Anschluss fand erst nach einiger Zeit und zunächst nur unregelmäßig Umgang statt.

Jedenfalls ab 2008 holte die Mutter das Kind montags, mittwochs und freitags vom Kindergarten ab und brachte es jeweils gegen 18.00 Uhr zum Vater. Daneben übernachtete L.jedenfalls ab Dezember 2009 jedes zweite Wochenende bei der Mutter. Die Mutter gibt an, dies sei bereits ab Januar 2008 so gehandhabt worden.

Ab Oktober 2010 haben die Eltern aufgrund der veränderten Arbeitszeiten des Vaters zunächst ein Wechselmodell praktiziert. Das Kind hat hierbei jedenfalls einen Monat gänzlich im Haushalt der Mutter verbracht; die Mutter gibt den Zeitraum mit Dezember 2010 bis März 2011 an. Im Anschluss ist erneut das Wechselmodell praktiziert worden.

Auf Initiative des Vaters und gegen den Willen der Mutter wurde dieses Modell im Mai 2011 beendet und zunächst zur früheren Umgangspraxis zurückgekehrt.

Die Mutter hat sich daraufhin im Mai 2011 an das Familiengericht gewandt, mit einem "Antrag auf Unterstützung ...", da ihr der Vater das Umgangsrecht entziehe und das Kind ohne ihre Zustimmung in seinem Haushalt belasse.

Das AG hat die Eltern, die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes, die Verfahrensbeiständin und das Kind zweimal angehört. Der Vater hat sich hierbei in beiden Termine am 29.9.2011 und am 18.7.2012 gegen ein - im zweiten Termin gerichtlich vorgeschlagenes - Wechselmodell ausgesprochen. Das Wechselmodell habe dem Kind nicht gutgetan. Daneben hat das AG gemäß Beschluss vom 25.10.2011 ein Gutachten u.a. zu der Frage eingeholt, welche Regelungen zum Lebensmittelpunkt un...

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