Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumung der Frist zur Rechtsmittelwahl
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Rechtsmittelwahl zwischen Berufung und Sprungrevision kann nur bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist rechtswirksam ausgeübt werden. Das Recht des Angeklagten, zwischen den beiden zunächst statthaften Anfechtungsmöglichkeiten zu wählen, geht mit dem Ablauf der Revisionsbegründungsfrist endgültig unter.
2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Ziel der Revisionswahl ist ausgeschlossen.
Normenkette
StPO §§ 312, 335 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 20.03.2015; Aktenzeichen (262 Cs) 3041 Js 10622/14 (303/14)) |
Tenor
1. Der Senat ist für die Entscheidung über das vom Angeklagten nachträglich als Revision bezeichnete unbestimmte Rechtsmittel gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 20. März 2015 nicht zuständig.
2. Die Sache wird an das zuständige Landgericht Berlin abgegeben.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Angeklagten am 20. März 2015 wegen Erschleichens von Leistungen in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe. Hiergegen legte der Angeklagte mit Schreiben vom 27. März 2015 Rechtsmittel ein. Das schriftliche Urteil wurde ihm am 21. April 2015 zugestellt. In der Folgezeit meldete sich Rechtsanwältin Ga aus K. unter Vollmachtsvorlage als Verteidigerin und beantragte unter ausdrücklichem Hinweis auf das "Rechtsmittel" vom 27. März 2015 die unverzügliche Übersendung einer Ablichtung des Hauptverhandlungsprotokolls sowie Akteneinsicht. Mit nicht unterzeichnetem Fax vom 22. Mai 2015 ging eine Erklärung der Verteidigerin bei dem Amtsgericht Tiergarten ein, wonach "mit Fax von 21./22. Mai 2015 um cirka 24 Uhr" versehentlich ein nicht zum Versand bestimmter Entwurf einer Revisionsbegründung übersandt worden sei, der "nicht zu den Akten zu nehmen" sei. Tatsächlich waren in den späten Abendstunden des 21. Mai 2015 die beiden ersten (schwer lesbaren) Seiten eines offensichtlich nicht vollständig übersandten, jedenfalls nicht unterzeichneten Faxschreibens, das einen Teil einer Revisionsbegründung darstellen könnte, im Geschäftsbereich des Amtsgerichts Tiergarten eingegangen.
Mit nicht datierter, spätestens am 2. September 2015 zur Geschäftsstelle gelangter und dort ausgeführter Verfügung beraumte die Vorsitzende der mit der Sache befassten Berufungskammer des Landgerichts Berlin die Berufungshauptverhandlung auf den 21. Oktober 2015 an, nachdem sie diesen Termin telefonisch mit der Verteidigerin, die ausweislich eines Vermerks der Kammervorsitzenden ausdrücklich erklärte, es solle das Rechtsmittel der Berufung durchgeführt werden, abgestimmt hatte. Dem Angeklagten wurde die Ladung am 3. September 2015 zugestellt. Ohne das an sie gerichtete Empfangsbekenntnis zurückzusenden, richtete Rechtsanwältin Ga am 9. September 2015 an das Kammergericht einen Wiedereinsetzungsantrag und legte gegen das Urteil vom 20. März 2015 Revision ein; den Urteilsaufhebungs- und Freisprechungsantrag begründete sie mit der allgemeinen Sachrüge. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags, dessen Zielrichtung unklar bleibt, mit dem die Verteidigerin der Sache nach geltend macht, das Rechtsmittel sei innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO als Revision bestimmt worden, trug sie vor, mit am 22. Mai 2015 um 23.38 Uhr an das Amtsgericht Tiergarten gerichtetem Faxschreiben sei die Revision gewählt worden. Zur Glaubhaftmachung berief sie sich auf ein beigefügtes Sendeprotokoll betreffend einen an das Amtsgericht Tiergarten gerichteten Schriftsatz vom 21. Mai 2015, dem ungeachtet seiner eingeschränkten Lesbarkeit die Revisionsbestimmung entnommen werden kann, und auf eine eidesstattliche Erklärung ihres Ehemannes.
1. Der Senat ist für die Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten nicht zuständig, denn das am 27. März 2015 eingelegte Rechtsmittel des Angeklagten ist als Berufung durchzuführen; zuständig hierfür ist das Landgericht Berlin (§ 74 Abs. 3 GVG).
Das angegriffene Urteil unterlag grundsätzlich sowohl der Berufung als auch der Sprungrevision (§§ 312, 335 Abs. 1 StPO). Der Angeklagte konnte es deshalb zunächst in unbestimmter Form anfechten. Seinem Wesen nach war dieses unbestimmte form- und fristgerechte Rechtsmittel des Angeklagten (§§ 314 Abs. 1, 335 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO) von Anfang an eine Berufung (vgl. BGHSt 33, 183, 189). Der Angeklagte war allerdings berechtigt, zur Revision überzugehen, wobei eine solche Rechtsmittelwahl indessen nur bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist rechtswirksam ausgeübt werden kann (vgl. OLG München wistra 2009, 327 mwN; Senat, Beschluss vom 7. April 2003 - [4] 1 Ss 77/03 [37/03] -). Ist innerhalb der Revisionsbegründungsfrist keine (formgerechte) Erklärung erfolgt, verbleibt es bei der Berufung. Das Recht des Angeklagten, zwischen den beiden zunächst statthaften Anfechtungsmöglichkeiten zu wählen, geht mit dem Ablauf der Revisionsbegründungsfrist endgültig unter (vgl. OLG Naumburg StraFo 2009, 388 mwN).
So liegt es hier. Die Frist zur Beg...