Entscheidungsstichwort (Thema)
Linksabbieger in Grundstückseinfahrt kollidiert mit Gegenverkehr, der Kolonne rechts überholt
Leitsatz (amtlich)
Die sog. Lückenrechtsprechung gilt nicht für das Abbiegen nach links durch eine Kolonnenlücke in eine Grundstückseinfahrt.
Bei Kollision mit einem Fahrzeug, das die Kolonne rechts überholt, haftet der Linksabbieger, der dem Unfallgegner keine unfallursächliche Sorgfaltspflichtverletzung nachweist, allein.
Macht der Wartepflichtige eine Mithaftung des bevorrechtigten Verkehrsteilnehmers geltend, so muss er darlegen und beweisen, dass der andere sich infolge überhöhter Geschwindigkeit außer Stande gesetzt hat, unfallverhütend zu reagieren oder genügend Zeit hatte, sich auf das Verhalten des Linksabbiegers oder Wendenden einzustellen.
Für den Beweis einer bestimmten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist der Zeugenbeweis ein ungeeignetes Beweismittel, wenn nicht die besondere Sachkunde des Zeugen dargelegt oder Bezugstatsachen erläutert werden.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 716/05) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 ZPO).
2. Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist hier nicht der Fall. Der Senat folgt vielmehr den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden.
Insofern wird auf Folgendes hingewiesen:
1. Die Kläger rügen mit ihrer Berufung, das LG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, Beweis zu erheben über ihre Behauptung, der Erstbeklagte sei am Unfallort mit einer überhöhten Geschwindigkeit von 70 km/h gefahren, durch Vernehmung der von ihnen benannten Mitfahrerin im klägerischen Renault, Melanie V. sowie von Marian V. (vgl. Schriftsatz vom 12.5.2006, S. 3);
durch die überhöhte Geschwindigkeit sei der Erstbeklagte ca. 4-5 Sekunden früher am Unfallort gewesen, so dass die behauptete Geschwindigkeitsüberschreitung kausal für den Unfall gewesen sei, daher sei zumindest eine Schadensteilung angemessen (vgl. S. 2 der Berufungsbegründung, unter 1.).
Dies verhilft der Berufung nicht zum Erfolg.
Zutreffend hat das LG jede (Mit-) Haftung der Beklagten für Folgen des streitgegenständlichen Unfalls verneint.
a) Richtig hat das LG auf S. 8 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass der von den Klägern angebotene Zeugenbeweis - ohne nähere Darlegung zu der Sachkunde der Beifahrerin Vogt oder Erläuterung von Bezugstatsachen - ein ungeeignetes Beweismittel zum Nachweis einer bestimmten Geschwindigkeit ist. Die entspricht gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. auch Senat, Urt. v. 13.8.1998 - 12 U 1760/97).
Es kommt hinzu, dass die Beifahrerin im klägerischen Pkw, Melanie V., unter den 23.11.2005 ggü. der Polizeibehörde zum streitgegenständlichen Unfall vom 10.11.2005 u.a. erklärt hat, das gegnerische Taxi vor der Kollision nicht gesehen zu haben ("Die 3te Spur war frei. Dann fuhren wir langsam an und plötzlich fuhr er uns mit überhöhter Geschwindigkeit in die Seite"); woraus Melanie V. ihre Wertung abgeleitet hat, der Unfallgegner sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren, ist nicht plausibel, da sie das Fahrzeug zuvor nicht hat beobachten können. Dass sie aber das Taxi vorher nicht gesehen hat, leuchtet ein; so hat der Kläger zu 2. - ausweislich des Protokolls der polizeilichen Unfallaufnahme vom 10.11.2005 - u.a. am Unfallort erklärt: "Den Fahrstreifen, wo das Taxi kam, konnte ich den Fahrstreifen nicht einsehen".
Weshalb "Marian V." zum Unfallhergang welche Beobachtungen gemacht haben soll, ist nicht dargelegt worden und erschließt sich nicht, zumal ein solcher Zeuge auch nicht erwähnt ist in dem gesamten gegen den Kläger zu 2. geführten Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten, AG Tiergarten - Jugendgericht - (424 OWi) 134 PLs 5848/05 (120/05) Jug -.
b) Zutreffend hat das LG auf S. 9 des angefochtenen Urteils ferner darauf hingewiesen, dass - unterstellt der Erstbeklagte wäre zu schnell gefahren - die Kläger keine Tatsachen dafür dargelegt und unter Beweis gestellt haben, dass der Erstbeklagte - ohne die behauptete Geschwindigkeitsüberschreitung - den Unfall durch rechtzeitige Reaktion hätte verhindern können.
Im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG dürfen nur unfallursächliche Tatsachen berücksichtigt werden; dies gilt auch für eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (vgl. BGH v. 25.3.2003 - VI ZR 161/02, MDR 2003, 805 = BGHReport 2003, 872 = NJW 2003, 1929; KG, Urt. v. 17.1.2000 - 12 U 6678/98, NZV 2000, 377 = DAR 2000, 260; Urt. v. 21.6.2001 - 12 U 1147/00, NZV 2002, 79 = DAR 2002, 66 = KGReport Berlin 20...