Leitsatz (amtlich)
Ausgangspunkt für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in einem Fall, in dem die behauptete unterhaltsrechtliche Leistungsunfähigkeit Folge einer Insolvenz sein soll, ist derjenige Betrag, den der Unterhaltspflichtige unter Berücksichtigung seiner Ausbildung, seiner Fähigkeiten und seiner sonstigen persönlichen Qualifikation realistischerweise tatsächlich erzielen könnte. Ein erstes, allerdings sehr gewichtiges Indiz ist dabei dasjenige Einkommen, das der Unterhaltspflichtige bislang, bis zur Insolvenzantragstellung, tatsächlich erzielt hat.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 28.11.2014; Aktenzeichen 143 F 16369/14) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den am 28.11.2014 erlassenen Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg - 143 F 16369/14 - wird zurückgewiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 3, 569 ZPO), jedoch nicht begründet. Das Familiengericht hat dem Antragsteller die von diesem begehrte Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung, einen Antrag auf Abänderung des vorliegenden Vergleichs über die Zahlung eines dynamisierten Kindesunterhalts i.H.v. 128 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzgl. der Hälfte des (jeweiligen) Kindergeldes für ein erstes Kind auf einen neuen Unterhaltsfestbetrag i.H.v. 100 EUR/Monat mit Wirkung ab dem 1.1.2014, zu Recht und mit zutreffender Begründung, die der Senat sich nach Prüfung zu eigen macht, versagt: Bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bietet die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg, so dass hierfür auch keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden kann (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Entscheidung:
1. a) Im Verhältnis zum Antragsgegner, seinem minderjährigen Sohn, trifft den Antragsteller eine gesteigerte Unterhaltsobliegenheit; er ist verpflichtet, alle ihm verfügbaren Mittel gleichmäßig zur Sicherstellung seines eigenen Unterhalts und desjenigen seines minderjährigen Sohnes zu verwenden (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers wird dabei nicht nur durch sein tatsächlich vorhandenes Vermögen und Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn aus unterhaltsrechtlicher Sicht die Obliegenheit, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen, insbesondere seine Arbeitsfähigkeit so gut wie möglich einzusetzen und eine ihm mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben. Soweit er dieser Erwerbsobliegenheit nicht nachkommt, muss er sich so behandeln lassen, als ob er ein Einkommen, das er 'bei gutem Willen' erzielen könnte, auch tatsächlich erzielt (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 18.6.2012 - 1 BvR 1530/11 -, FamRZ 2012, 1283 [bei juris Rz. 12] sowie Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis [8. Aufl. 2011], § 1 Rz. 736).
b) Ausgangspunkt für die Ermittlung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ist danach dasjenige Einkommen, was von diesem unter Berücksichtigung seiner persönlichen Qualifikationen realistischerweise tatsächlich erzielt werden kann (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis [8. Aufl. 2011], § 1 Rz. 737, 743). Ein erstes, allerdings sehr gewichtiges Indiz ist dabei das Einkommen, das der Unterhaltspflichtige bislang erzielt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 22.1.2014 - XII ZB 185/12 -, FamRZ 2014, 637 [bei juris Rz. 13]; KG, Beschl. v. 16.4.2013 - 17 UF 8/13 -, JAmt 2013, 483 = FamRZ 2014, 45 [LSe] (bei juris Rz. 9 f.). Konkret bedeutet dies, dass das Maß der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers durch ein durchschnittliches Nettoeinkommen i.H.v. 3.000 EUR/Monat bestimmt wird; auf der Grundlage dieses Einkommens hat er sich in dem abzuändernden Titel zur Leistung von Kindesunterhalt verpflichtet.
c) Wenn der Unterhaltspflichtige wie hier der Antragsteller geltend macht, dass er den Unterhaltsbedarf des Berechtigten ohne Gefährdung seines eigenen, angemessenen Lebensbedarfs nicht mehr bestreiten kann, so liegt es an ihm, die Voraussetzungen der behaupteten unterhaltsrechtlich relevanten Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit darzulegen und zu beweisen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.1.2014 - XII ZB 185/12 -, FamRZ 2014, 637 [bei juris Rz. 13]). Konkret heißt das, dass von einem Unterhaltspflichtigen, der sich auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit beruft, zunächst die seine Lebensstellung bestimmenden Tatsachen wie etwa sein Alter, sein Familienstand, sein Einkommen und sein Vermögen, aber auch seine Ausbildung und seine beruflichen Fähigkeiten darzulegen sind; weiter ist von ihm darzulegen, welche Schritte er unternommen hat, um ein seinen Fähigkeiten und seiner Ausbildung entsprechendes (Erwerbs-) Einkommen wieder z...