Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit des Jugendamts als Reservepfleger

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, dass das Jugendamt der gesetzlichen Regelung zufolge "Reservepfleger" ist, der erst dann zu bestellen ist, wenn trotz der gebotenen Ermittlungen kein anderer geeigneter ehrenamtlicher Einzel-, Vereins- oder berufsmäßiger Pfleger gefunden werden kann, steht der Bestellung des Jugendamtes zum Ergänzungspfleger für das Kind in einer verhältnismäßig einfach gelagerten, überschaubaren Erbausschlagungsangelegenheit wegen (vermuteter) Überschuldung des Nachlasses, nachdem im Einzelfall keine andere geeignete Person gefunden werden konnte, genauso wenig entgegen wie die bekannte Belastung der Jugendämter mit anderen Aufgaben oder deren knappen Ressourcen.

 

Normenkette

BGB § 1791b Abs. 1, § 1836

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 06.05.2010; Aktenzeichen 161 F 15928/09)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 26.4.2010 in der Fassung des Beschlusses vom 6.5.2010 - 161 F 15928/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 EUR.

Der Verfahrenskostenhilfeantrag des Beschwerdeführers wird zurückgewiesen.

 

Gründe

A. Mit der am 21.5.2010 beim AG Tempelhof-Kreuzberg eingegangenen Beschwerde wendet sich das ... - Jugendamt - gegen den am 17.5.2010 zuge-stellten Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 26.4.2010, berichtigt durch Beschluss vom 6.5.2010, mit dem das Familiengericht - Rechtspflegerin - für die verfahrens-betroffenen Kinder Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis "Entgegennahme des Beschlusses über die Entscheidung im gerichtlichen Genehmigungsverfahren hinsichtlich der Ausschlagung der Erbschaft nach dem am ...1972 geborenen und am ...2009 verstorbenen Herrn J.M.-F., zuletzt wohnhaft gewesen in B., ..., sowie die Wahrnehmung der Rechte des Kindes hinsichtlich der Ausübung des Beschwerderechts gegen die gerichtliche Entscheidung" angeordnet und, nachdem es dem Jugendamt insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gewährte, dieses zum Ergänzungspfleger bestellt hat. Das Jugendamt wendet sich gegen diese Bestellung; es macht geltend, das mit einem von ihm namentlich benannten Rechtsanwalt eine andere, als Pfleger geeignete Person vor-handen wäre, die vorrangig zu bestellen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung und das Vorbringen in der Beschwerdeschrift Bezug genommen.

B.1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Bei der Anordnung von Ergänzungspflegschaft, damit das Kind im Verfahren zur Genehmigung einer Erbausschlagung vertreten werden kann, handelt es sich um eine Endentscheidung, mit der das entsprechende Verfahren abgeschlossen wird. Hiergegen findet die Beschwerde statt, ohne dass eine vorgängige Abhilfe möglich ist (§§ 58 Abs. 1, 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Die Beschwer-defrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) ist gewahrt, da die Entscheidung dem Jugendamt am 17.5.2010 bekannt gegeben wurde und das Rechtsmittel bereits am 21.5.2010 beim Familiengericht einging. Der Beschwerdewert von 600 EUR (§ 61 Abs. 1 FamFG) ist überschritten, weil mangels hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte der Auffangwert von 3.000 EUR (§ 42 Abs. 3 FamGKG) zugrunde zulegen ist (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG [16. Aufl. 2009], § 61 Rz. 13).

b) Das Jugendamt ist auch beschwerdeberechtigt, weil es in eigenen Rechten beeinträchtigt ist (§ 59 Abs. 1 FamFG). Denn mit dem angegriffenen Beschluss wurde es, entgegen der mit Schreiben vom 9.12.2009 und - erneut - vom 19.1.2010 zum Ausdruck gebrachten Weigerung, die Pflegschaft zu übernehmen, zum Ergänzungspfleger bestellt. Im Einklang mit der bisherigen, noch unter Geltung des FGG ergangenen Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm, JAmt 2010, 256; KG Rpfleger 1999, 274; OLG Zweibrücken Rpfleger 2002, 25; LG Kaiserslautern, Beschl. v. 9.7.2001 - 1 T 95/01, nachgewiesen in juris) und der Auffassung der Literatur (vgl. Frankfurter Kommentar SGB VIII/Proksch [6. Aufl. 2009], § 53 Rz. 4; Wagenitz in MünchKomm/BGB [5. Aufl. 2008], § 1791b Rz. 13; § 1779 Rz. 24; Anwaltkommentar BGB/Fritsche [2005], § 1791b Rz. 3) hat der Senat bereits entschieden, dass ein Jugendamt, welches entgegen seinem erklärten Willen als Ergänzungspfleger ausgewählt und bestellt wird, berechtigt ist, gegen den entsprechenden Beschluss Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschluss vom 4.3.2010, JAmt 2010, 257).

2. In der Sache bleibt dem Rechtsmittel jedoch der Erfolg versagt:

a) Das Familiengericht hat den verfahrensbetroffenen Kindern zu Recht einen Ergänzungspfleger bestellt. Denn die allein sorgeberechtigte Mutter ist verhindert, für die Zwillinge eine zu erlassende familiengerichtliche Genehmigung über die Ausschlagung der Erbschaft nach ihrem verstorbenen Vater entgegenzunehmen und unter Berücksichtigung des Kindeswohls über die Ausübung des Beschwerderechts hiergegen zu entscheiden (vgl. §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1643 Abs. 2, 1796 Abs. 2, 1909 Abs. 1 BGB i.V.m...

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