Leitsatz (amtlich)

Der Eigentümer, der wegen fehlender Briefübergabe nicht Gläubiger der Briefgrundschuld werden kann, obwohl der bisherige Grundschuldgläubiger keine Rechte mehr an der Grundschuld geltend machen kann, ist berechtigt, in gewillkürter Verfahrensstandschaft das Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung des Briefs zu betreiben.

 

Normenkette

BGB § 1192 Abs. 1, § 1162; FamFG § 467 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Neukölln (Beschluss vom 14.04.2014; Aktenzeichen 70 II 34/13)

 

Tenor

Der Beschluss des AG Neukölln vom 14.4.2014 wird aufgehoben.

Der Verfahrenswert wird auf 4.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Beteiligte zu 1) ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 21 in der Wstraße 58 in Berlin, eingetragen im Grundbuch von Neukölln des AG Neukölln. Die Beteiligte zu 2) wurde als Gläubigerin der in Abteilung III unter Nr. 4 im genannten Grundbuch eingetragenen Briefgrundschuld i.H.v. 30.000 EUR durch zwischenzeitlich rechtskräftiges Urteil des LG Berlin vom 27.3.2012 - 5 O 256/11 - verurteilt, die genannte Grundschuld an den Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 1) abzutreten und der Eintragung der Abtretung im Grundbuch zuzustimmen. Eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils wurde der Beteiligten zu 1) als Rechtsnachfolgerin erteilt.

Im Verlaufe des von dem Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 1) betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahrens versicherte die Beteiligte zu 2) gegenüber dem Gerichtsvollzieher am 30.1.2013 an Eides Statt, nicht im Besitz des Grundschuldbriefes zu sein. Dieser befinde sich nach ihrem Wissen vielmehr im Besitz von Herrn S. Die Beteiligte zu 1) trug vor, dass sich Herr S der Herausgabe des Grundschuldbriefes entziehe. Das AG Neukölln wies mit Beschluss vom 14.4.2014 ihren Antrag auf Kraftloserklärung des Grundschuldbriefes zurück, da die Beteiligte zu 1) ihre letztgenannte Behauptung nicht glaubhaft gemacht habe.

Gegen diesen ihr am 30.4.2014 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) mit beim AG Neukölln am 15.5.2014 eingegangenen Schriftsatz vom 14.5.2014 Beschwerde eingelegt, der das AG mit Beschluss vom 5.6.2014 nicht abgeholfen hat.

Mit Schriftsatz vom 19.8.2014 trug die Beteiligte zu 1) unter Vorlage verschiedener Urkunden vor, dass auf ihren Antrag Herr S durch zwischenzeitlich bestandskräftige und Herrn S am 23.7.2014 zugestellte einstweilige Verfügung des LG Berlin vom 22.7.2014 - 10 O 240/14 - dazu verpflichtet worden sei, den hier verfahrensgegenständlichen Grundschuldbrief an den Sequester herauszugeben. Zum Sequester habe das LG Berlin mit gesondertem, Herrn S am selben Tag zugestelltem Beschluss vom 7.8.2014 Rechtsanwalt C bestellt. Während des am selben Tage stattfindenden Vollstreckungsversuchs habe Herr S erklärt, zur Herausgabe des Grundschuldbriefes nicht im Stande zu sein, da er ihn nicht besitze und nicht wisse, wo er sich befinde.

B. Die Beschwerde hat Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gem. §§ 63, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt und gem. § 65 Abs. 1 FamFG begründet worden. Da ihr Aufgebotsantrag vom AG Neukölln zurückgewiesen worden war, besitzt die Beteiligte zu 1) gem. § 59 Abs. 2 FamFG auch die notwendige Beschwerdebefugnis (vgl. auch Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl. 2013, § 59 Rz. 37).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Die Beteiligte zu 1) kann gem. § 1162 BGB im Wege des Aufgebotsverfahrens den Grundschuldbrief für kraftlos erklären lassen.

Die Beteiligte zu 1) ist gem. § 467 Abs. 2 FamFG antragsberechtigt, weil sie in gewillkürter Verfahrensstandschaft das noch formal der Beteiligten zu 2) zustehende Recht geltend machen kann. Antragsberechtigt gem. § 467 Abs. 2 FamFG ist bei Grundpfandrechtsbriefen derjenige, der das Recht aus der Urkunde geltend machen kann. Das ist gem. § 952 Abs. 2 BGB der Grundschuldgläubiger. Grundschuldgläubigerin ist aber weiterhin die Beteiligte zu 2), die zwar zur Abtretung der Grundschuld mit Wirkung zugunsten der Antragstellerin verurteilt worden ist; neben der Abtretung, die gem. § 894 ZPO mit Rechtskraft des Urteils als erklärt gilt, erfordert der Rechtsübergang bei der Briefgrundschuld aber auch die Übergabe des Briefes, §§ 1192 Abs. 2, 1154 Abs. 1 BGB. Die Übergabe ist bisher nicht erfolgt, weil ein Vollstreckungsversuch gem. §§ 883, 897 Abs. 2 ZPO bei der Beteiligten zu 2) ohne Erfolg blieb. Zwar kann die Übergabe durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen den Besitzer gem. §§ 1154 Abs. 1, 1117 Abs. 1 Satz 2, 931 BGB ersetzt werden. Eine solche Abtretung hat hier jedoch nicht stattgefunden. Dem rechtskräftigen Titel auf Abtretung der Grundschuld ist keine Aussage zum Besitz des Grundschuldbriefs zu entnehmen. Ein möglicher Herausgabeanspruch der Beteiligten zu 2) gegen Herrn ist auch von der Beteiligten zu 2) zu keiner Zeit erwähnt worden, so dass dessen Abtretung im Wege der §§ 931, 398 BGB mangels tatsächlicher Anhaltspunkte auch nicht als konkludent angenommen werden kann. Eine konkludente Abtretung kann auch der eidesstattlichen Versicherung der Beteiligten zu 2) im Rahmen der Vollstreckung, bei der si...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge