Leitsatz (amtlich)

1. In Beschwerdesachen ist gem. § 568 Satz 1 ZPO auch dann der vollständig besetzte Spruchkörper des Beschwerdegerichtes zur Entscheidung berufen, wenn zwar die angegriffene Entscheidung von einem Einzelrichter stammt, die Nichtabhilfeentscheidung aber von dem vollständig besetzten Spruchkörper des erstinstanzlichen Gerichts.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch dann nicht zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung gem. § 574 Abs. 2 Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 ZPO zuzulassen, wenn das Beschwerdegericht zwar abweichend von der Entscheidung eines anderen Gerichtes durch den vollständig besetzten Spruchkörper entschieden hat, wenn aber aufgrund von Entscheidungen des Einzelrichters des Beschwerdegerichtes in Parallelsachen mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass der Einzelrichter nicht anders entschieden hätte, als der vollständig besetzte Spruchkörper.

3. a) Verfügt eine Partei, die die Gewährung von Prozesskostenhilfe begehrt, über eine titulierte Forderung gegenüber einem Dritten, von dem sie behauptet, er sei aktuell nicht in der Lage, die Forderung auszugleichen, so ist diese Behauptung im Regelfall als nicht glaubhaft gemacht anzusehen, wenn seit der Behauptung mehr als 3 Wochen verstrichen sind, ohne dass dem Gericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Drittschuldners nachgewiesen wurde.

b) Die Verwertbarkeit der Forderung ist im Übrigen nicht deshalb zu verneinen, weil die prozesskostenhilfebegehrende Partei ohne Not einen Rangrücktritt hinsichtlich ihrer Forderung erklärt hat.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 08.09.2010; Aktenzeichen 10 O 226/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2. gegen den Beschluss der Zivilkammer 10 des LG Berlin vom 8.9.2010 - Geschz.: 10 O 226/10 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Beklagte zu 2. begehrt Prozesskostenhilfe für ein erstinstanzliches Verfahren vor dem LG Berlin, das eine Zahlungsklage i.H.v. 5.150 EUR sowie Freistellungs- und Kostenerstattungsansprüche mit geringem Wert zum Gegenstand hat.

Zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen trägt der Beklagte zu 2. in diesem sowie in diversen Parallelverfahren vor, er sei Eigentümer von Immobilien. Gleichwohl sei er bedürftig i.S.v. § 114 Satz 1 Halbs. 1 ZPO. Denn die Immobilien seien mit Grundpfandrechten zur Sicherung von Bankdarlehen belastet.

Dem Senat ist aus der Parallelsache 2 W 124/10 sowie dem Verfahren 2 U 14/10, das bei ihm ebenfalls anhängig war, des Weiteren Folgendes dienstlich bekannt: Am 23.8.2010 schloss der Beklagte zu 2. einen Prozessvergleich vor dem KG - Geschz. 2 U 14/10 - ab, in dem sich die J.GmbH, Berlin, verpflichtete, an ihn 750.000 EUR zu zahlen. Nachdem die J.GmbH ihm mit Schreiben vom 20.9.2010 mitgeteilt hatte, "aktuell nicht in der Lage zu sein, die Forderung auszugleichen", erklärte der Beklagte zu 2) tags darauf, mit seiner Forderung hinter sämtliche andere Forderungen etwaiger anderer Gläubiger zurückzutreten. Der Beklagte zu 2. meint, infolge des Rangrücktrittes sei seine Bedürftigkeit weiterhin zu bejahen.

Das LG hat mit Beschluss des Einzelrichters vom 8.9.2010, dem Beschwerdeführer zugestellt am 29.9.2010, den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten zu 2) zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2), bei Gericht eingegangen am 13.10.2010. Das LG hat mit Beschluss der vollbesetzten Kammer vom 25.10.2010 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem KG zur Entscheidung vorgelegt.

II.1.a) Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 127 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz, 567 Abs. 1 Nr. 2, 127 Abs. 1 Satz 1, 567 Abs. 2, 569 ZPO zulässig, insbesondere ist sie statthaft und wurde fristwahrend eingelegt.

b) Über die sofortige Beschwerde hat nach § 568 Satz 1 ZPO der Senat in voller Besetzung zu entscheiden.

Denn die angefochtene Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift ist auch dann nicht von einem Einzelrichter erlassen worden, wenn die nach § 572 Abs. 1 ZPO erlassene Nichtabhilfeentscheidung von der Kammer in voller Besetzung erlassen wurde (ebenso OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2007, 372 Rz. 2 zit. nach Juris; gegenteiliger Auffassung hingegen: OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 2003, 187 Rz. 5 zit. nach Juris; OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2004, 115 Rz. 1 zit. nach Juris; Heßler in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 568 Rz. 2). Das folgt vor allem aus dem Sinn und Zweck des § 568 Satz 1 ZPO. Sinn und Zweck des § 568 Satz 1 ZPO ist es nämlich, es im Interesse der Akzeptanz der Beschwerdeentscheidung zu vermeiden, dass ein Einzelrichter eine Kollegialentscheidung aufhebt oder abändert (so ausdrücklich BT-Drucks. 14/4722, 111). Mit der Nichtabhilfeentscheidung übernimmt der für diese Entscheidung zuständige Richter vollständige Verantwortung für die angefochtene Entscheidung: Er hat sie nicht nur auf Plausibilität zu überprüfen und ist in keiner Weise an Feststellungen, die in der angefochtenen enthalten sind, gebunden; vielmehr hat er den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt er...

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