Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 13.08.2008; Aktenzeichen (511) 67 Js 87/07 KLs (9/07)) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin wird der Beschluß des Landgerichts Berlin vom 13. August 2008 aufgehoben und die Erinnerung des Pflichtverteidigers, Rechtsanwalt T., ..., gegen den Beschluß der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Berlin vom 26. Mai 2008 zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts hat Rechtsanwalt T. die für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger in dem Verfahren 511-9/07 aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung antragsgemäß auf 792,06 EUR festgesetzt und seinen weiteren Antrag auf Erstattung von Gebühren und Auslagen in Höhe von 568,05 EUR für das hinzuverbundene Verfahren 257 Ds 3/07 durch Beschluß vom 26. Mai 2008 abgelehnt. Auf seine Erinnerung hat ihm das Landgericht (Einzelrichter) diesen Betrag mit Beschluß vom 13. August 2008 zugesprochen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Bezirksrevisorin hat Erfolg.
Dem am 20. März 2007 in dem Verfahren 511-9/07 bestellten Pflichtverteidiger steht eine Vergütung für seine Tätigkeit in der am 11. April 2007 hinzuverbundenen Strafsache 257 Ds 3/07, in der er zuvor als Wahlverteidiger aufgetreten war, nicht zu.
Daß bei mehreren wegen des persönlichen Zusammenhangs verbundenen Verfahren (§§ 2 ff. StPO) die Verteidigung insgesamt notwendig ist, wenn die Voraussetzungen des § 140 StPO auch nur wegen einer der Sachen vorliegen, ist entgegen der Ansicht des Landgerichts gebührenrechtlich ohne Belang. Die strafprozessualen Vorschriften zur Pflichtverteidigung besagen nichts darüber, unter welchen Voraussetzungen der Rechtsanwalt für Leistungen vor seiner Bestellung aus der Staatskasse zu bezahlen ist. Das ist im RVG geregelt. Nach § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG erhält der Pflichtverteidiger die Vergütung zwar auch für solche Tätigkeiten, die er als Wahlanwalt vor der Bestellung erbracht hat. Für Verfahren, die zu einem anderen verbunden worden sind, gilt diese gebührenrechtliche Rückwirkung aber nur dann, wenn der Rechtsanwalt in diesen Sachen schon vor der Verbindung oder in dem führenden Verfahren erst danach bestellt worden ist. Wird hingegen - wie hier - der Verteidiger in dem führenden Verfahren bereits vor der Verbindung bestellt, so tritt für diejenigen Verfahren, in denen vor der Verbindung keine Bestellung erfolgt war, die Wirkung des § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG nicht automatisch, sondern nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG nur dann ein, wenn das Gericht sie auf Antrag oder von Amts wegen auch auf diese Verfahren erstreckt hat (vgl. BT-Drucksache 15/1971 S. 201). Das ist hier bis zum rechtskräftigen Abschluß des Erkenntnisverfahrens nicht geschehen.
Der Senat kann offen lassen, ob eine Entscheidung über die Erstreckung auch noch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluß vom 2. April 2007 - 3 Ws 94/07 - bei [...]) oder, wie die Beschwerdeführerin meint, wegen der allgemein angenommenen Unzulässigkeit einer nachträglichen Pflichtverteidigerbestellung ausgeschlossen ist. Denn weder hat Rechtsanwalt Tschacher im Kostenfestsetzungsverfahren einen Antrag nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG gestellt, noch hat das Landgericht mit der angefochtenen Entscheidung die Erstreckung angeordnet, wozu der Einzelrichter ohnehin funktionell nicht zuständig gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Fundstellen
Haufe-Index 2567495 |
JurBüro 2009, 531 |
NStZ-RR 2009, 360 |
HRA 2009, 5 |
RVGreport 2010, 64 |