Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlußanfechtung bei zu Unrecht erfolgtem Ausschluß von Wohnungseigentümern vor der Abstimmung; zur gesetzlichen Vermutung der Grundbuchrichtigkeit. Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
1. Schließt der Versammlungsleiter zu Beginn der Wohnungseigentümerversammlung zu Unrecht Wohnungseigentümer von den nachfolgenden Abstimmungen aus, so kann dies bei Beschlußanfechtung nur zur Ungültigerklärung der von den anderen Eigentümern gefaßten Beschlüsse, nicht aber zur nachträglichen Feststellung eines anderen Beschlußinhalts führen.
2. Bei Klärung der Frage, wer Mitglied der Eigentümergemeinschaft ist, hat die Praxis der Wohnungseigentümer grundsätzlich zunächst von der gesetzlichen Vermutung der Richtigkeit des im Grundbuch eingetragenen Eigentumsrechts auszugehen.
Normenkette
WEG § 24 Abs. 5-6, § 43 Abs. 1 Nr. 4; BGB § 891 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Aktenzeichen 70 II 7/87 (WEG)) |
LG Berlin (Aktenzeichen 191 T 292/87 (WEG)) |
Tenor
Die sofortigen weiteren Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten aller drei Instanzen hat die Eigentümergemeinschaft (Verwaltungsvermögen) zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind in allen drei Rechtszügen nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 10.000,– DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer der im Rubrum näher bezeichneten Wohnanlage. Die Beteiligten zu 2) und 3) gehörten im Zeitpunkt der Einleitung des vorliegenden Verfahrens der Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht an.
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 5. Dezember 1986 standen mehrere Anträge, teilweise auch zur Geschäftsordnung, sowie insgesamt 20 Tagesordnungspunkte zur Abstimmung Zu Beginn der Versammlung ließ die Versammlungsleiterin gemäß der Versammlungs-Niederschrift zu TOP 1 über folgende Anträge abstimmen:
„Antrag 1a)
Das Stimmrecht der Eigentümer, die heute mit mehr als einem Monat mit Wohngeldzahlungen im Rückstand sind, soll heute ruhen.
- Ja-Stimmen: 9
- Nein-Stimmen: 10
- Enthaltungen: keine
Frau W. erklärt das Stimmrecht bezüglich der 10 Nein-Stimmen im Ergebnis der Argumentation und Abstimmung als ruhend und den Antrag für angenommen. Sie verweist auf zusätzliche weitere Gründe und wird bei der Beurteilung des Stimmrechts so fortfahren. Sie bittet um entsprechende Protokollierung.
Antrag 1b)
Generell soll das Stimmrecht der Eigentümer ruhen, die mehr als einen Monat mit Wohngeldzahlungen im Rückstand sind:
- Ja-Stimmen: 9
- Nein-Stimmen: 10 (ungültig 10)
- Enthaltungen: keine
Frau W. erklärt den Antrag für angenommen.”
Im weiteren Verlauf der Versammlung hatte die Versammlungsleiterin entsprechend den vorgenannten unter TOP 1 als „angenommen” protokollierten Beschlüssen insgesamt 10 Wohnungseigentümer von der weiteren Abstimmung ausgeschlossen und verschiedene Beschluß-Anträge zu den nachfolgenden Tagesordnungspunkten zum Teil mit 9 Ja-Stimmen für „angenommen” und zum Teil mit 9 Nein-Stimmen für „abgelehnt” erklärt, wobei sie bei den einzelnen Abstimmungen die 10 Stimmen der bereits zuvor zurückgewiesenen Miteigentümer als „ungültig” bezeichnete.
Zu den 10 Wohnungseigentümern, deren Stimmrecht von der Versammlungsleiterin für „ruhend” erklärt worden war, gehörte auch der Beteiligte L. Dieser war im Zeitpunkt der Eigentümerversammlung Eigentümer von vier Wohneinheiten, von denen drei unter Zwangsverwaltung standen.
Mit ihrem am 29. Dezember 1986 bei dem Amtsgericht Tiergarten eingegangenen Antrag hat die Beteiligte zu 1) die Eigentümerbeschlüsse vom 5. Dezember 1986 angefochten und mit ihrem Hauptantrag die Feststellung eines anderen Beschlußergebnisses hinsichtlich der von ihr näher bezeichneten Tagesordnungspunkte beantragt und hilfsweise die Ungültigerklärung der für „angenommen” erklärten Beschlüsse mit Ausnahme des Beschlusses zu TOP 19 begehrt.
Durch Beschluß vom 4. Dezember 1987 hat das Amtsgericht Tiergarten den Beschluß der Wohnungseigentümerversammlung vom 5. Dezember 1986 zu TOP 1, Antrag 1b) (Ruhen des Stimmrechts) für ungültig erklärt und die weitergehenden Anträge der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Auf die gegen diesen Beschluß rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) hat das Landgericht durch Beschluß vom 8. Juli 1988 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen den Beschluß des Amtsgerichts teilweise geändert und im Beschlußtenor näher bezeichnete Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 5. Dezember 1986 für ungültig erklärt. Die weitergehenden Anträge der Beteiligten zu 1) und 2) hat es als unzulässig verworfen, ebenso die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3), der sich dem Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) angeschlossen hatte. Gegen diesen Beschluß richten sich die rechtzeitig bei Gericht eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerden der Rechtsbeschwerdeführer, wobei der Beteiligte zu 5) mit Schriftsatz vom 17. Oktober 1988 erklärt hat, daß er sich der Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4) anschließe.
II.
Die als Rechtsbeschwerden gemäß §...