Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 7 O 179/18) |
Tenor
Nach Beratung über die Erfolgsaussicht der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2018 kommt nach Auffassung des Senats eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht, da die Berufung eine gewisse Erfolgsaussicht aufweist.
Den Parteien wird eine vergleichsweise Regelung vorgeschlagen.
Gründe
I. Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Rechtsverletzung und für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderliche Tatsachenfeststellungen sind infolge dieses Rechtsfehlers unterblieben.
1) Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, bereits unter Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens sei der - in den auf den Vertrag anzuwendenden Versicherungsbedingungen VHB 2012, § 3 benannte - Versicherungsfall des Einbruchsdiebstahls nicht erfüllt, da es hierfür auf subjektiver Seite an der dem strafrechtlichen Begriff des Diebstahls innewohnenden Zueignungsabsicht fehle. Die Gegenstände, die von der Klägerin in den Keller verbracht worden seien, seien nämlich von den Mitarbeitern der beauftragten Räumungsfirma nach Räumung des Kellerabteils entsorgt worden. Dies lasse darauf schließen, dass sie nicht die Absicht gehabt hätten, sich die Gegenstände zumindest vorübergehend anzueignen. Die Auffassung, die Versicherungsbedingungen seien dahingehend auszulegen, dass der Begriff des Diebstahls auf den entsprechenden strafrechtlichen Begriff verweist, begründet das Landgericht mit einem Verweis auf das Urteil des BGH vom 29. Juni 1994, IV ZR 129/93, wonach in der Bezugnahme auf einen "Diebstahl" in Versicherungsbedingungen eine Beschränkung des Leistungsversprechens auf den Fall des Vorliegens des mit Strafe bedrohten (objektiven und subjektiven) Tatbestands nach § 242 StGB liege.
2) Dem kann in der Sache nicht gefolgt werden. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt nach dem vom Landgericht festgestellten Sachverhalt ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall vor.
a) Zwar ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass es sich bei Anwendung der in der strafrechtlichen Rechtsprechung und Literatur geprägten Begrifflichkeiten nach dem mit der Klage vorgetragenen Geschehen mangels Zueignungsabsicht nicht um einen Diebstahl im Sinne des § 242 StGB handelt. Zueignung bedeutet die Anmaßung einer eigentümerähnlichen Herrschaftsmacht über die Sache, indem der Täter entweder die Sache selbst oder den in ihr verkörperten Wert dem eigenen Vermögen einverleibt, sich also wirtschaftlich an die Stelle des Eigentümers setzt (vgl. BayObLG, NJW 1992, 2040). Erforderlich ist daher einerseits die "Enteignung" durch Verdrängung des Eigentümers aus seiner wirtschaftlichen Position und andererseits die "Aneignung" durch Einverleibung der Sache in das Vermögen des Täters oder Ausnutzung des entzogenen Sachwerts (vgl. BGH, NStZ 1981, 663). Die Absicht eines Täters ist nicht auf Zueignung gerichtet, wenn er an der Sache als solcher kein Interesse hat, es ihm vielmehr allein darum geht, durch ihren Entzug in irgendeiner Form auf den Eigentümer oder einen Dritten einzuwirken. Entscheidend ist dabei, welche Vorstellung der Täter zur Zeit der Wegnahme hatte (OLG Köln, NJW 1997, 2611). Nach den Feststellungen des Landgerichts, die mit der Berufung insoweit nicht angegriffen werden, haben die handelnden Mitarbeiter des Räumungsunternehmens die Gegenstände der Klägerin allein mit der Absicht aus dem Kellerabteil entfernt, sie anschließend zu entsorgen, was sodann auch geschehen ist. Nach ihrer Vorstellung im Zeitpunkt der Wegnahme ging es indes nicht darum, die Gegenstände oder einen ihnen immanenten Sachwert in ihr Vermögen einzuverleiben.
b) Nach Auffassung des Senats ist jedoch § 3 der einschlägigen VHB 2012 im Ergebnis dahingehend auszulegen, dass das vom Landgericht festgestellte Geschehen hierunter fällt. Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01 -, BGHZ 153, 182-189, Rn. 19). Nach der Rechtsprechung des BGH erfährt dieser Grundsatz eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. Dann sei anzunehmen, dass auch die Versicherungsbedingungen hierunter nichts anderes verstehen wollen. (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2002, aaO). Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kann wiederum dann in Betracht kommen, wenn das allgemeine Spra...