Leitsatz (amtlich)
Die Auswechselung eines Pflichtverteidigers ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn der Angeklagte das wünscht oder der Verteidiger einverstanden ist. Vielmehr sind tiefgreifende Vertrauensprobleme darzulegen. Im Fall des Instanzenwechsels sollte nur dann großzügiger verfahren werden, wenn der "neue" Pflichtverteidiger auf die Grundgebühr verzichtet.
Tenor
Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer 501, durch die der Antrag des Angeklagten auf Entpflichtung seines Verteidigers Rechtsanwalt .........und auf Bestellung von Frau Rechtsanwältin ...................... wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten am 3. April 2008 wegen besonders schweren Raubes, gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Mit Schreiben vom 9. Mai 2008 beantragte der Angeklagte, ihm für das Revisionsverfahren anstelle seines bisherigen Pflichtverteidigers, Herrn Rechtsanwalt.................., Frau Rain..............zu bestellen, da von seiner Seite kein Vertrauensverhältnis mehr zu seinem Verteidiger bestehe; dieser habe ihn in der Haft nie besucht und sei im Verfahren nicht engagiert für seine Sache eingetreten. Die gegen die ablehnende Verfügung des Vorsitzenden gerichtete Beschwerde des Angeklagten hat keinen Erfolg.
1.
Die Beschwerde ist nach § 304 Abs. 1 StPO zulässig, insbesondere nicht durch § 305 StPO ausgeschlossen, weil die angefochtene Entscheidung mit dem Urteil und der zu erwartenden Entscheidung des Revisionsgerichts in keinem inneren Zusammenhang steht; sie ist aber unbegründet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats - 4 Ws 269/01 m.w.Nachw. ≫bei [...]≪ - kommt eine Auswechselung eines Pflichtverteidigers nicht alleine deshalb in Betracht, weil der Angeklagte dies wünscht, sondern nur dann, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher besteht beispielsweise dann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und seinem Pflichtverteidiger ernsthaft gestört ist. Dafür reicht der bloße Hinweis auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis nicht aus, einen Verteidigerwechsel zu rechtfertigen. Voraussetzung dafür ist vielmehr, dass der Angeklagte Umstände darlegt und glaubhaft macht, die bei objektiver Betrachtung zumindest aus der Sicht des Angeklagten eine Erschütterung seines Vertrauens zu dem bestellten Pflichtverteidiger besorgen lassen (vgl. Senat a.a.O.).Der Angeklagte hat in seiner Beschwerdebegründung zusätzlich ausgeführt, er könne dem Pflichtverteidiger aus deshalb nicht mehr vertrauen, weil dieser ihm gesagt habe, er betreibe seine Sache "als Hobby". Aus diesem Vorbringen ergibt sich indes kein ausreichender Grund für einen Verteidigerwechsel. Das angebliche Desinteresse des Pflichtverteidigers stellt sich als eine bloße Wertung des Angeklagten dar, die umso unverständlicher ist, als der Angeklagte gegen das Urteil keine Revision eingelegt hat, offensichtlich also mit dem Urteil und mit seiner Verteidigung einverstanden war. Auch wenn entgegen der Annahme des Vorsitzenden die Staatsanwaltschaft Berlin inzwischen die Revision begründet hat, sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Pflichtverteidiger den Angeklagten nicht auch in der Revisionsinstanz ordnungsgemäß vertreten und gegebenenfalls eine Gegenerklärung abgeben wird. Dies wird auch nicht dadurch belegt, dass sich der Pflichtverteidiger inzwischen auf Nachfrage von Frau Rechtsanwältin .............mit einem Wechsel der Verteidigung einverstanden erklärt hat.
2.
Die in weiten Kreisen vertretene Auffassung, dass zwischen den Instanzen eine großzügigere Betrachtung angebracht ist, insbesondere, wenn der ursprüngliche Pflichtverteidiger mit dem Wechsel einverstanden ist, übersieht, dass nach dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes am 1. Juli 2007 eine "kostenneutrale" Auswechselung des Pflichtverteidigers nicht mehr möglich ist, weil jedenfalls die Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG anfallen würde (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 31. März 2006 ≫in [...]≪). Diese Doppelbelastung des Staates, die im übrigen entweder einverständlich durch einen Verzicht des "neuen" Pflichtverteidigers auf die Grundgebühr oder durch einen von dem Angeklagten geleisteten gemäß § 52 Abs. 3 RVG zu verrechnenden Vorschuss verhindert werden könnte( vgl. OLG Köln a.a.O..), spricht gegen eine sonst möglicherweise zu erwägende großzügigere Betrachtungsweise eines Pflichtverteidigerwechsels zwischen den Instanzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Fundstellen