Leitsatz (amtlich)
Ob eine Verteidigervollmacht besteht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Bevollmächtigung bedarf dabei keiner bestimmten Formulierung. Unabhängig davon, ob die Formulierung "Verteidigung" im Einzelfall gebraucht wird, ist aus den äußeren Umständen, insbesondere aus den Willensbekundungen, den Betroffenen zu vertreten, zu beurteilen, ob ein Verteidigerverhältnis vorliegt.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 25.01.2011; Aktenzeichen 321 OWi 1245/10) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 25. Januar 2011 wird verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seiner Rechtsbeschwerde zu tragen.
Gründe
Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen wegen Zuwiderhandlung gegen §§ 3 Abs. 3 (genauer: Satz 1 Nr. 1), 49 (zu ergänzen: Abs. 1 Nr. 3) StVO nach § 24 StVG eine Geldbuße von 170,00 Euro verhängt, gemäß § 25 Abs. 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet und nach § 25 Abs. 2 a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Betroffene Einspruch eingelegt, der in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist. Das Amtsgericht hat den Betroffenen aufgrund des nunmehr im Schuldspruch rechtskräftigen Bußgeldbescheides zu einer Geldbuße von 170,00 Euro verurteilt und nach § 25 Abs. 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt, die Verletzung sachlichen Rechts gerügt und insbesondere das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung geltend gemacht. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Der Senat behandelt das Rechtsmittel gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 300 StPO als Rechtsbeschwerde, die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG keiner Zulassung bedarf.
Entgegen der in der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht ist die Ordnungswidrigkeit nicht verjährt. Gemäß § 26 Abs. 3 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung für Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG bis zum Erlass des Bußgeldbescheides drei Monate, danach sechs Monate. Tattag ist vorliegend der 29. Juli 2010. Die Verjährung ist zunächst durch die am 16. August 2010 verfügte Versendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen worden. Mit Schriftsatz vom 23. August 2010 hat sich daraufhin Rechtsanwalt S. unter Vorlage einer auf ihn lautenden Vollmacht für die " Mandantschaft: B." wegen 58.75.663000.6, dem Aktenzeichen des bei der Verwaltungsbehörde gegen den Betroffenen geführten Bußgeldverfahrens, gemeldet und um Akteneinsicht gebeten. Aus der beigefügten "Außergerichtlichen Vollmacht" ergibt sich, dass dem Rechtsanwalt unter Angabe des Aktenzeichens der Bußgeldsache "in der Angelegenheit gegen B." Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretung erteilt wird. Die Vollmacht hat unter anderem folgenden Wortlaut:
"Die Vollmacht ermächtigt insbesondere
1. zu außergerichtlichen Verhandlungen aller Art
2. zum Abschluss eines Vergleichs oder einer sonstigen Einigung zur Vermeidung eines Rechtsstreits
3. zur Begründung oder Aufhebung von Vertragsverhältnissen, zur Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z.B. Kündigungen)
4. in Unfallsachen zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen Schädiger, Fahrzeughalter und deren Versicherer
5. zur Stellung von Strafanträgen sowie zu deren Rücknahme
6. zur Akteneinsicht
7. es wird gebeten, Bußgeldbescheide direkt an den Betroffenen zuzustellen
8. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Bevollmächtigte für die Zustellung von Bußgeldbescheiden im Original ausdrücklich nicht ermächtigt ist. Erbeten wird eine Kopie oder Abschrift der Bescheide."
Die Verwaltungsbehörde hat gegen den Betroffenen am 29. September 2010 einen Bußgeldbescheid erlassen, der Rechtsanwalt S. am 1. Oktober 2010 zugestellt worden ist. Dieser hat mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2010 Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt. Auf den Einspruch wurde das Verfahren an das Amtsgericht Tiergarten abgegeben, bei dem die Akten am 26. November 2010 eingegangen sind.
Mit der Rechtsbeschwerde wird gerügt, Rechtsanwalt S. sei, wie sich aus der zu den Akten gereichten Vollmacht ergebe, nicht zur Entgegennahme von Zustellungen für den Betroffenen ermächtigt gewesen. Der Erlass des Bußgeldbescheides habe daher die Verjährungsfrist nicht nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen, weil dieser nicht innerhalb von zwei Wochen nach Erlass wirksam zugestellt worden sei. Mithin sei nach Ablauf von drei Monaten nach Anhörung des Betroffenen mangels weiterer die Verjährung unterbrechender Handlungen Verfolgungsverjährung eingetreten. Bei Eingang der Akten beim Amtsgericht sei die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit daher bereits verjährt gewesen.
Diese Ansicht trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Die Zustellung des Bußgeldbescheides an Rechtsanwalt S. war entgegen der in der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht wirksam. Rechtsanwalt S., der sich für den Be...