rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Zwangsvollstreckungsverfahren wird von § 240 ZPO nicht erfasst.

2. Das in § 89 InsO geregelte Verbot von Einzelzwangsvollstreckungen steht der Vollstreckung von Unterlassungsansprühen nicht entgegen, da diese keine Insolvenzänderungen sind.

 

Normenkette

ZPO §§ 240, 890; InsO §§ 39, 89

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 20.05.1999; Aktenzeichen 15 O 156/98)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin vom 20. Mai 1999 wird auf ihre Kosten zurükgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 20.000,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

Der Schuldnerin ist durch das Senatsurteil vom 18. Dezember 1998 – 5 U 6644/98 –, das ihr zwecks Vollziehung im Parteibetrieb am 29. Dezember 1998 zugestellt worden ist, unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden.

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Angebote zum Setzen einer Todesanzeige an Hinterbliebene zu versenden, wenn dies wie folgt geschieht:

(Das Original des Beschlusses enthält an dieser Stelle das Formular mit dem Titel „Sterbeanzeige-Leistungsangebot”.)

Auf die Entscheidungsgrüde (Seiten 8 bis 10 der Ausfertigung) wird Bezug genommen.

Die Schuldnerin, die am 8. Juni 1998 ihren Sitz von Berlin nach Bremen verlegte und seit dem 7. August 1998 im dortigen Handelsregister eingetragen ist, schrieb unter Verwendung des nachfolgend wiedergegebenen Formulars die Angehörigen folgender Verstorbener (Todestag in Klammern) an:

  • E. F. (15. Januar 1999)
  • B. N. (29. Dezember 1998)
  • B. N. (30. Dezember 1998)
  • A. L. (12. Januar 1999)
  • H. K. (29. Januar 1999)
  • E. B. (31. Januar 1999)
  • G. K. (12. Januar 1999)
  • F. Sch. (2. Februar 1999)
  • C. B. (4. Februar 1999)
  • A. K. (12. Februar 1999)
  • B. Sch. (17. Februar 1999)
  • I. B. (27. Februar 1999)
  • F. K. (8. März 1999):

(Das Original des Beschlusses enthält an dieser Stelle das Formular mit dem Titel „Sterbeanzeigenofferte”.)

Der Gläubiger hat insgesamt vier Ordnungsmittelanträge gestellt. Er hat die Auffassung vertreten, in den vorbezeichneten dreizehn Fällen habe die Schuldnerin im Kern gegen das Verbot verstoßen.

Das Landgericht hat gemäß dem angefochtenen Beschluss der Schuldnerin ein Ordnungsgeld von 20.000,00 DM – ersatzweise für je 1.000,00 DM einen Tag Ordnungshaft, zu vollziehen an der Geschäftsfürerin – auferlegt.

Gegen diesen Beschluss, der ihr am 27. Mai 1999 zugestellt worden ist, hat die Schuldnerin am 10. Juni 1999 sofortige Beschwerde eingelegt. Über ihr Vermögen ist gemäß dem Beschluss des Amtsgerichts Bremen – 40 IN 196/99 – vom 11. Oktober 1999 das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Stümann zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 793 ZPO statthaft. Sie ist formgerecht innerhalb der Frist des § 577 Abs. 2 ZPO eingelegt worden und mithin zulässig. Sie erweist sich jedoch als unbegrüdet.

Das Zwangsvollstreckungsverfahren wird nach herrschender Meinung von § 240 ZPO nicht erfasst (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 2. November 1982 – 5 W 3783/82 –; OLG Neustadt NJW 1965, 591/592; OLG Hamm JMBl NRW 1963, 132; Musielak/Stadler, ZPO, § 240 Rn. 6; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers, ZPO, 58. Auflage, vor § 239 Rn. 5 und § 240 Rn. 8; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Auflage, vor § 239 Rn. 1). Die Unanwendbarkeit der Vorschriften über die Unterbrechung eines Verfahrens für die Zwangsvollstreckung ergibt sich daraus, dass das Gesetz die im Vollstreckungsverfahren möglichen Hemmungen und Unterbrechungen erschöpfend geregelt hat (OLG Neustadt a.a.O.).

Auch das in § 89 InsO geregelte Verbot von Einzelzwangsvollstreckungen steht der Vollstreckung von Unterlassungsansprühen nicht entgegen, da diese keine Insolvenzforderungen sind und sich auch nicht zur Aufnahme in die Insolvenztabelle eignen (vgl. Hess, Kommentar zur Insolvenzordnung, InsO § 38 Rn. 15; Jaeger/Henckel, Konkursordnung, 9. Auflage, § 3 Rn. 27 und § 14 Rn. 6). Dem steht nicht entgegen, dass Ordnungsgelder nunmehr als nachrangige Insolvenzforderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO anzusehen sind. Vorliegend geht es nicht um die Zwangsvollstreckung eines derartigen Zahlungsanspruchs, sondern um die Zwangsvollstreckung eines Unterlassungsanspruchs. Das verhängte Ordnungsgeld, das zu einem Zahlungsanspruch des Staates führt, ändert nichts daran, dass der durchzusetzende Unterlassungsanspruch § 89 InsO nicht unterfällt.

In der Sache kann die sofortige Beschwerde keinen Erfolg haben. Zutreffend hat das Landgericht ausgefürt, dass die Schuldnerin durch die geringfüige Umgestaltung der von ihr verwendeten Formulare den Kernbereich des Verbots nicht verlassen hat. Die Schuldnerin meint, das neue Formular weiche wesentlich von dem „verbotenen” ab, da nunmehr der Absender und noch mehr die Formulierung „Sterbeanzeigen-Offerte” hervorgehoben seien und daher ein Empfänger, der bisher zu ihr keinen Kontakt gehabt habe, keinesfalls auf den Gedanken kommen könne, er erhalte eine Rechnung für eine beauftragte und bereits erschienene Sterbeanzeige. Dem kann nicht gefolg...

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