Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Pflicht des erkennenden Gerichts zur Information der Prozessbeteiligten über die vorläufige Bewertung von Beweismitteln
Leitsatz (amtlich)
1. Das erkennende Gericht ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, die Prozessbeteiligten in einem "Zwischenverfahren" über die vorläufige Bewertung von Beweismitteln zu informieren; auch durch Antrag oder Erklärung der Prozessbeteiligten kann es dazu grundsätzlich nicht gezwungen werden.
2. Das gilt jedenfalls dann auch für das in einen Beweisantrag gekleidete Verlangen eines Prozessbeteiligten nach einer vorläufigen Bewertung der Beweisaufnahme durch das erkennende Gericht vor der Urteilsberatung, wenn der Beweisantrag lediglich die Erklärung nach § 257 Abs. 2 StPO ersetzt und nicht ernsthaft auf die Erhebung des Beweises, sondern allein auf die Erteilung eines tatsächlichen Hinweises darauf, dass das erkennende Gericht die in einem Beweisantrag der Verteidigung in wörtlicher Rede wiedergegebenen Äußerungen eines Zeugen nicht oder anders gehört oder verstanden hat, abzielt.
3. Die Nichterteilung eines solchen Hinweises verletzt den Angeklagten nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK).
Normenkette
EMRK Art. 6
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 23.05.2012; Aktenzeichen (574) 243 Js 260/11 Ns (47/12)) |
Tenor
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Mai 2012 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagten gestattet wird, die Geldstrafe in monatlichen Teilbeträgen von 60 (sechzig) Euro, beginnend mit dem auf die Bekanntgabe dieser Entscheidung folgenden Monat, jeweils bis zum 15. eines Monats, zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn die Angeklagte schuldhaft einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt.
2. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I. Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat die Angeklagte am 27. Februar 2012 wegen Bestechung zu einer Geldstrafe von 90 (neunzig) Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Berlin mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Mit ihrer hiergegen eingelegten Revision rügt die Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen (wesentlichen) Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhr die Angeklagte am 24. Februar 2011 gegen 19.05 Uhr mit Ihrem PKW Opel Kadett mit dem amtlichen Kennzeichen B- die T.straße in Berlin. In Höhe der Hausnummer 1 wurde sie von dem Zeugen POM H., der gemeinsam mit dem Zeugen PK B. in diesem Bereich zur Überwachung des fließenden Verkehrs eingesetzt war, an die Seite gewunken. POM H. unterzog das Fahrzeug der Angeklagten einer eingehenden technischen Untersuchung, bei der er sich auch unter das Fahrzeug legte. PK B. machte währenddessen anhand der Fahrzeugpapiere im Polizeiauto Halterabfragen. Da POM H. bei seiner Untersuchung erhebliche, die Verkehrssicherheit des Fahrzeuges beeinträchtigende technische Mängel festgestellt hatte, sah er die Notwendigkeit, das Auto der Angeklagten sicherzustellen und einer Begutachtung durch eine technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr zu unterziehen, um eine Gefährdung des Straßenverkehrs auszuschließen. Gleichzeitig sollte mit einer Begutachtung dem Verdacht einer Verkehrsordnungswidrigkeit nachgegangen werden.
Weiter heißt es in den Feststellungen des angefochtenen Urteils wörtlich:
"Der Zeuge POM H. erläuterte der Angeklagten das Untersuchungsergebnis, eröffnete ihr den Verdacht einer Ordnungswidrigkeit wegen der Mängel und die Notwendigkeit einer Sicherstellung und Begutachtung des Wagens, auch belehrte er sie rechtlich. Er wies darauf hin, dass das Fahrzeug beschlagnahmt werde, falls die Angeklagte das Fahrzeug nicht freiwillig der Polizei überlasse. Die Angeklagte regte sich über die angekündigte Sicherstellung auf. Sie erzählte, dass sie das Auto vor einigen Monaten in eine Werkstatt im Münsterland gegeben habe. Dort sei wegen des kalten Winters nicht alles gemacht worden. Sie wisse, dass noch einiges gemacht werden müsse. Sie diskutierte mit dem Zeugen POM H. über die Qualität der Mängel. Sie selbst fand diese nicht wesentlich. Der Zeuge POM H. blieb aber bei der Auffassung, dass eine Sicherstellung unverzichtbar sei. Der Zeuge PK B. war im Verlauf der Diskussion hinzugetreten. Beide Zeugen standen frontal vor der Angeklagten. Die Angeklagte fragte schließlich, welche Kosten für sie entstehen würden. Der Zeuge POM H. schätzte die Gesamtkosten für die Sicherstellung, das Gutachten und die Ordnungswidrigkeitsanzeige auf ca. Euro 450,00, davon sollten rund Euro 220,00 auf das einzuholende Gutachten entfallen. Nunmehr äußerte die Angeklagte, sie sei mittellos und schulde dem Amt noch ca. Euro 800,00. Sie bat, ihr das nicht anzutun. Der Zeuge POM H. erwiderte, dass er keine Unterschiede zwischen Personen machen dürfe. Daraufhin äußerte die Angeklagte in Richtung der Zeugen POM H. und PK B. sinng...