Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostentragung nach Klagerücknahme wegen Wegfalls des Klageanlasses vor Anhängigkeit

 

Normenkette

ZPO § 269 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 02.02.2009; Aktenzeichen 8 O 16/09)

 

Tenor

1. Der Beschluss des LG Berlin vom 2.2.2009 - Geschz.: 8 O 16/09 - wird geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.138,65 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Beklagte ist Gesellschafter einer Gesellschaft, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist (im Folgendem: Gemeinschuldnerin). Er erfüllte den Anspruch der Gemeinschuldnerin auf Leistung einer Stammeinlage i.H.v. 49.435,41 EUR bei Fälligkeit des Anspruches und lange vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ein Beleg über die Erbringung der Stammeinlage wurde zur Handelsregisterakte der Gemeinschuldnerin beim AG Charlottenburg (im Folgendem: Handelsregisterakte) genommen. Der Kläger ist zum Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren bestellt. Vorprozessual machte er den - bereits erfüllten - Anspruch auf Leistung der Stammeinlage ggü. dem Beklagten geltend. Der Beklagte wandte demgegenüber die Erfüllung ein. Der Kläger verlangte daraufhin von dem Beklagten einen Zahlungsnachweis; bei der Einsichtnahme in die Handelsregisterakte übersah der Kläger den dort befindlichen Beleg für die Zahlung des Beklagten. Nachdem der Beklagte dem Kläger keinen Zahlungsnachweis vorlegte, erhob der Kläger Zahlungsklage. Während des Prozesses nahm nunmehr auch der Beklagte Einsicht in die Handelsregisterakte und fand dort den Beleg. Nach dessen Einreichung im Prozess hat der Kläger die Klage zurückgenommen und beantragt, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits gem. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO aufzuerlegen. Dem ist das LG mit Beschluss seines Einzelrichters vom 2.2.2009 gefolgt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger seien bei Klageerhebung Nachweise über die Zahlung des Beklagten unverschuldet unbekannt gewesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit einer sofortigen Beschwerde, die am 12.2.2009 bei Gericht eingegangen ist. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem KG zur Entscheidung vorgelegt.

II.1. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 269 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 zulässig. Über sie hat gem. § 568 Satz 1 und 2 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden.

2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Denn der Kläger muss gem. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits tragen, nachdem er die Klage zurückgenommen hat und die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nicht vorliegen.

Zwar ist § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nach der in der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend vertretenen Auffassung auch dann anzuwenden, wenn der Anlass zur Klageerhebung schon vor Anhängigkeit weggefallen ist (OLG Hamm, Beschl. v. 23.1.2008 - 7 W 4/08, Rz. 12, zit. nach Juris; KG KGReport Berlin 2008, 399; OLG Rostock OLGReport Rostock 2008, 263; OLG München OLGReport München 2004, 218; a.A. mit beachtlichen Argumenten: OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.1.2004 - 25 W 78/03, zit. nach Juris; a.A. wohl auch OLG Karlsruhe OLGReport Karlsruhe 2007, 287, wonach "bei Einreichung der Klage noch bestehende Erfolgsaussicht vor Zustellung weggefallen [sein muss]"). Jedoch führt § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auch bei Bejahung seiner Anwendbarkeit vorliegend aus zumindest doppeltem Grunde nicht zu einer Kostentragungspflicht des Beklagten:

a) In der Rechtsfolge des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO richtet sich die Kostentragungspflicht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Dies bedeutet, dass dem Beklagten nur dann die Kosten aufzuerlegen sind, wenn die Klage vor dem Wegfall des Einreichungsanlasses Aussicht auf Erfolg hatte (OLG Karlsruhe OLGReport Karlsruhe 2007, 287; OLG Brandenburg, JAmt 2004, 507; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2008, § 269 Rz. 56; Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. 2008, § 269 Rz. 64; stillschweigend so auch BGH, NJW 2006, 775 [776]). Für dieses Verständnis des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO spricht seine Ähnlichkeit mit § 91a ZPO und die zu dieser Vorschrift ergangene, seit langem gefestigte, entsprechende Rechtsprechung (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 91a Rz. 24, m.w.N.).

Vorliegend hätte die Zahlungsklage gegen den Beklagten zu keinem Zeitpunkt Erfolg gehabt. Denn bis zum Zeitpunkt der Zahlung wäre die Klage mangels Fälligkeit abzuweisen gewesen und nach diesem Zeitpunkt wegen Erfüllung gem. § 362 BGB.

b) Zurecht nehmen LG und Parteien an, dass § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO im Falle des Wegfalls des Klageanlasses vor Anhängigkeit allenfalls dann zu einer Kostentragungspflicht des Beklagten führt, wenn den Kläger kein Verschulden daran trifft, dass er die schon vor Klageeinreichung objektiv fehlende Erfolgsaussicht seiner Klage nicht erkannt hat (ebenso Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge