Leitsatz (amtlich)
1. Nach übereinstimmender Erledigterklärung des Vergabenachprüfungsverfahrens in der Beschwerdeinstanz ist über die Kosten und Aufwendungen, die im Verfahren vor der Vergabekammer entstanden sind, gem. § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG zu entscheiden; § 91a ZPO ist insofern nicht heranzuziehen. Über die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten, die im Beschwerdeverfahren entstanden sind, ist hingegen analog § 91a ZPO zu entscheiden.
2) a)Hat der Zuschlag nach den Vergabebedingungen anhand der von einer Bewertungskommission zu beurteilenden "Qualität" sowie des "Preises" der angebotenen Leistung zu erfolgen, so liegt ein Vergaberechtsverstoß vor, wenn die Kommissionsmitglieder sich bei ihrer Bewertung zumindest auch von dem Bestreben leiten lassen, einem bestimmten Bieter den Zuschlag unabhängig vom Zuschlagskriterium "Preis" zu sichern, und ihm deshalb die Bestnote 1,0 und den übrigen Bietern die Schlechtestnote 6,0 geben.
b) Zur Feststellung der Motivation der Kommissionsmitglieder im Einzelfall.
3. Zu Bewertungsfragen bei der Bildung einer Kostenquote im Vergabenachprüfungsverfahren.
Verfahrensgang
Vergabekammer des Landes Berlin (Beschluss vom 19.08.2009; Aktenzeichen VK-B1-25/09) |
Tenor
1. Der Beschluss der Vergabekammer des Landes Berlin, 1. Beschlussabteilung, vom 19.8.2009 - VK-B1-25/09 - ist in Ziff. 1 und 2 seines Entscheidungstenors wirkungslos. Das Vergabenachprüfungsverfahren wird eingestellt.
2. a) Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen der Staatskasse) hat die Antragstellerin zu tragen; hinsichtlich der Aufwendungen der am Verfahren vor der Vergabekammer Beteiligten findet eine Kostenerstattung nicht statt.
b) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin und des Antragsgegners, tragen die Antragstellerin zu 80 % und der Antragsgegner zu 20 %.
Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen findet nicht statt.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten war für die Antragstellerin auch im Verfahren vor der Vergabekammer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.
4. Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf bis zu 40.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Antragsgegner schrieb im Amtsblatt der Europäischen Union vom 26.3.2009 die Essensversorgung der Schüler der Grundschulen Nrn. 17, 26 und 31 des Bezirkes R. aus, wobei auf jede Schule jeweils ein Los entfiel. In der Ausschreibung wurde hinsichtlich der Zuschlagskriterien auf die in den Verdingungsunterlagen angeführten Kriterien verwiesen. Diese waren dort für die genannten Lose u.a. wie folgt beschrieben: "50 % Preis, 50 % Qualität ..."; ferner hatte der Preis in einem Bereich von 1,80 EUR bis 2,19 EUR je Essen zu liegen und die Benotung der Qualität war "durch die Essenskommissionen der Schulen, bestehend aus maximal 6 Personen je Schule (Schüler, Lehrer, Erzieher, Eltern)" anhand u.a. eines Probeessens vorzunehmen; die Qualitätsbenotung hatte nach den üblichen Schulnoten von 1,0 bis 6,0 mit Zehntelnotenabstufungen zu erfolgen, wobei die Verrechnung der Qualitätsnoten mit dem Angebotspreis anhand eines Punktesystems im Einzelnen geregelt war. Für die Auftragserteilung zu den genannten Losen bewarben sich die Antragstellerin mit einem Essenspreis von 2,18 EUR, die Beigeladene mit einem Essenspreis von 1,84 EUR sowie ein weiteres Unternehmen. Am 11.6.2009 wurde ein erstes Probeessen durchgeführt. Hiernach bewerteten sämtliche Mitglieder der drei Essenskommissionen das Essen der Antragstellerin mit "1,0" und das Essen der beiden anderen Bieter mit "6,0". Der Antragsgegner sah diese Bewertung als willkürlich und deshalb unbeachtlich an. Daher ließ er am 8.7.2009 ein zweites Probeessen durchführen, diesmal als Blindverkostung. Die Essenskommissionen der Grundschulen Nrn. 26 und 31 weigerten sich, an diesem Probeessen teilzunehmen, und forderten die Offenlegung, von welchem Bieter welches Testessen stamme. Die Essenskommission der Grundschule Nr. 17 nahm mit lediglich drei Mitgliedern an dem Probeessen teil. In der Folge kündigte der Antragsgegner an, den Zuschlag allein anhand der Angebotspreise zu erteilen und damit zugunsten der Beigeladenen.
Hiergegen hat die Antragstellerin das vorliegende Vergabenachprüfungsverfahren eingeleitet mit dem Hauptantrag, den Zuschlag unter Berücksichtigung der Wertung des ersten Probeessens zu erteilen, hilfsweise unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabenachprüfungsinstanz. Gegen die in vollem Umfang zurückweisende Entscheidung der Vergabekammer vom 19.8.2009 hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt und in der Beschwerdeschrift zusätzlich hilfsweise beantragt, das Vergabeverfahren aufzuheben.
Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens nahm der Antragsgegner - auf Hinweis des Senats in dem Beschluss gem. § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB vom 28.9.2009 (2 Verg 8/09) - von seiner Haltung Abstand und führte am 25.11.2009 ein drittes Probeessen als Blindverkostung durch. An de...