Leitsatz (amtlich)
Die verkürzte Beschwerdefrist des § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG erfasst auch eine ablehnende Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 18.02.2011; Aktenzeichen 171 F 1137/07 SH I) |
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 19.08.2010; Aktenzeichen 171 F 1137/07 SH I) |
Tenor
Die Beschwerden der Mutter gegen die Beschlüsse des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 19.8.2010 und 18.2.2011 werden auf ihre Kosten bei einem Wert von jeweils 1.500 EUR als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 19.8.2010 wies das AG Tempelhof-Kreuzberg - Familiengericht - den Antrag der Mutter vom 12.7.2010 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf alleinige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit der Begründung zurück, das Gericht sei für die beantragte Entscheidung international nicht zuständig, weil das Kind bei seinem Vater in Irland wohne. Hiergegen legte die Mutter mit Schriftsatz vom 30.8.2010, beim Familiengericht eingegangen am 31.8.2010, Beschwerde ein. Das Familiengericht beraumte einen Termin zur persönlichen Anhörung der Beteiligten an, welcher am 18.2.2011 stattfand. In diesem Termin hielt der Vater die Rüge der fehlenden Zuständigkeit aufrecht. Mit Beschluss vom gleichen Tage wies das Familiengericht die Beschwerde der Mutter vom 30.8.2010 gegen den Beschluss vom 19.8.2010 aus den weiter zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zurück.
Der Senat wies die Mutter mit Verfügung vom 10.3.2011 u.a. darauf hin, dass der Beschluss vom 19.8.2010 nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergangen und daher unanfechtbar sei.
Daraufhin legte die Mutter mit am 18.3.2011 beim KG eingegangenen Schriftsatz Beschwerde gegen den Beschluss des Familiengerichts vom 18.2.2011 ein. Mit Verfügung vom 11.4.2011 wies der Senat die Mutter darauf hin, dass der Beschluss vom 18.2.2011 nicht innerhalb der maßgeblichen Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) angefochten und auch diese Beschwerde daher unzulässig sei.
II. Die Beschwerden der Mutter sind bereits unzulässig, so dass sie zu verwerfen waren.
Die Beschwerde vom 30.8.2010 gegen den Beschluss des Familiengerichts vom 19.8.2010, welche die Mutter trotz der rechtlichen Hinweise des Senats vom 10.3.2011 und 11.4.2011 nicht zurückgenommen hat, ist bereits unzulässig, weil der angefochtene Beschluss, mit welchem der Antrag der Mutter auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen wurde, nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergangen und daher unanfechtbar ist (§ 57 Satz 1 FamFG).
Der Beschluss des Familiengerichts vom 18.2.2011, mit welchem die (Erst)beschwerde der Mutter zurückgewiesen wurde, ist als erneute Entscheidung nach erfolgter mündlicher Verhandlung (Bestätigung der den Erlass einer einstweiligen Anordnung ablehnenden Entscheidung vom 30.8.2010) anzusehen (vgl. § 54 Abs. 2 FamFG). Dieser Beschluss ist zwar grundsätzlich anfechtbar, § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG. Er wurde jedoch nicht innerhalb der maßgeblichen Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) angefochten.
Der Senat folgt nicht der teilweise im Schrifttum (Zöller-Feskorn, ZPO, 28. Aufl., § 63 FamFG Rz. 3; Keidel-Sternal, FamFG, 16. Aufl., § 63 Rz. 14) vertretenen Auffassung, wonach gegen eine abgelehnte einstweiligen Anordnung die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingreife, so dass die Beschwerde binnen eines Monats seit schriftlicher Bekanntgabe an die Beteiligten eingelegt werden könne. Vielmehr erfasst die verkürzte Beschwerdefrist des § 63 Abs. 2
Nr. 1 FamFG auch eine ablehnende Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (so auch OLG Zweibrücken FamRZ 2011, 497; Stößer in: Prütting. Helms, FamFG, § 57 Rz. 12). Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/6308, S. 203), wonach "für den Fall der Anfechtung einer im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen Entscheidung" § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG die Beschwerdefrist auf zwei Wochen festlegt. Dies sei sachgerecht wegen des Charakters des einstweiligen Anordnungsverfahrens als Eilverfahren. Die Vorschrift gelte unabhängig davon, welcher Art die angefochtene Entscheidung sei.
Es gibt im Übrigen auch keinen sachlichen Grund, die Eilbedürftigkeit bei der Ablehnung einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich geringer einzuschätzen als bei deren Erlass.
Die Zweiwochenfrist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Mutter (§ 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Das Sitzungsprotokoll des Familiengerichts vom 18.2.2011, in welchem der angefochtene Beschluss enthalten war, ist noch am gleichen Tage zur Post gegeben worden. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 FamFG gilt das Schriftstück drei Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, wenn nicht ein späterer oder unterbliebener Zugang glaubhaft gemacht wird. Mangels Glaubhaftmachung eines anderweitigen Zugangszeitpunkts ist hier die schriftliche Bekanntgabe also am 21.2.2011 als bewirkt anzusehen, so dass die Beschwerdefrist am 7.3.2011 ablief.
Hinzu kommt, dass ...