Leitsatz (amtlich)

§ 328 Abs. 2 StPO findet keine Anwendung, wenn das Ausgangsgericht objektiv zuständig war, auch wenn seine Zuständigkeit in einem rechtsfehlerhaften Verfahren begründet wurde (hier: formlose Abgabe an das Jugendgericht bei Erlass eines Strafbefehls gegen einen Heranwachsenden durch eine für Erwachsene zuständige Abteilung des Amtsgerichts).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 05.12.2016; Aktenzeichen (518) 262 Js 3246/16 Ns (63/16))

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin - Jugendkammer - vom 5. Dezember 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

3. Die Beschwerde des Angeklagten vom 5. Dezember 2016 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Strafkammer 18 des Landgerichts Berlin vom selben Tage wird auf seine Kosten (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten - Jugendrichter - hat den Angeklagten auf dessen Einspruch gegen einen Strafbefehl vom 8. Oktober 2015 aufgrund der Hauptverhandlung vom 15. September und 4. Oktober 2016 wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen, in einem Fall davon in Tateinheit mit zweifacher versuchter Sachbeschädigung, zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt.

Der Strafbefehlsantrag war infolge abweichender Angaben zum Geburtsdatum des Angeklagten zu der für Erwachsene zuständigen Abteilung 253 des Amtsgerichts gelangt, und der Strafbefehl war von der dort amtierenden Strafrichterin erlassen worden. In der Einspruchsverhandlung vor der Strafrichterin am 9. Februar 2016 hatte der Angeklagte in Anwesenheit seines Verteidigers einen Reisepass vorgelegt, der als sein Geburtsdatum den x auswies, weshalb das Amtsgericht nach Erörterung des Umstands, dass "der Angeklagte nach den jetzigen Feststellungen zur Tatzeit Heranwachsender war", die Aussetzung der Hauptverhandlung beschloss, weil "die Sache zuständigkeitshalber an das Jugendgericht abzugeben" sei.

Die mit der Sache befasste Jugendrichterin hatte in der Folgezeit unter Zugrundelegung der nicht widerlegbaren Tatsache, dass der Angeklagte zur Tatzeit Heranwachsender war, die zum Urteilsspruch vom 4. Oktober 2016 führende Hauptverhandlung anberaumt.

Auf die gegen das jugendrichterliche Urteil vom 4. Oktober 2016 gerichtete Berufung des Angeklagten hat die Jugendkammer des Landgerichts Berlin mit dem angefochtenen Urteil vom 5. Dezember 2016 das erstinstanzliche Urteil "wegen sachlicher Unzuständigkeit des Gerichts erster Instanz" aufgehoben und das Verfahren (wohl zu erneuter Verhandlung und Entscheidung) nach § 328 Abs. 2 StPO "an das zuständige Amtsgericht Tiergarten - Jugendrichter - zurückverwiesen". Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass das Verfahren mangels eines förmlichen Übernahmebeschlusses nach § 225a StPO bisher nicht bei dem Jugendgericht rechtshängig geworden sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er beanstandet, dass die Jugendkammer die Sache an den Jugendrichter zurückverwiesen und nicht, wie von ihm begehrt, das Verfahren wegen eines von ihm geltend gemachten Verfahrenshindernisses eingestellt hat.

Mit seiner Beschwerde vom 5. Dezember 2016 wendet sich der Angeklagte zudem gegen den Beschluss des Kammervorsitzenden vom selben Tage betreffend die Ablehnung der Beiordnung seines Wahlverteidigers zum Pflichtverteidiger.

1. Die Beschwerde bleibt erfolglos.

Zwar ist das Rechtsmittel zulässig, denn der Abschluss des Berufungsverfahrens durch Urteil des Landgerichts Berlin steht der Zulässigkeit nicht entgegen, weil die Ausführungen in der Beschwerdeschrift erweisen, dass die Pflichtverteidigerbestellung nicht ausschließlich für das Berufungsverfahren begehrt worden ist (vgl. dazu Senat NStZ-RR 2014, 279 = StV 2015, 18 = StRR 2014, 494 mwN).

Die Beschwerde ist aber aus den Gründen des Beschlusses des Senatsvorsitzenden vom 25. April 2017 unbegründet. Unschädlich ist hierbei, dass die Jugendkammer auf den gegen die Entscheidung des nach § 141 Abs. 4 StPO allein zuständigen Vorsitzenden gerichteten, verfehlten Antrag des Verteidigers auf Erlass eines Gerichtsbeschlusses unzutreffend einen solchen Beschluss gefasst hat (vgl. nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 60. Aufl., § 141 Rn. 6 mwN).

2. Die Revision hat demgegenüber vorläufigen Erfolg, weil das Landgericht die Sache zu Unrecht gemäß § 328 Abs. 2 StPO an den Jugendrichter zurückverwiesen hat.

a) Das Rechtsmittel ist zulässig.

aa) Die Beschwer des Angeklagten ist gegeben, weil das Landgericht nicht die dem Angeklagten günstigste Entscheidung getroffen, sondern die Sache ohne eigene Sachentscheidung an das Ausgangsgericht zurückverwiesen hat (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2014, 17; s. auch OLG Hamm NStZ-RR 2009, 379 [zum Fall der - von § 328 Abs. 2 StPO tatsächlich geregelten - Verweisung an ein zuständiges anderes ...

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