Leitsatz (amtlich)
Zum rechtlichen Interesse eines Anzeigeerstatters an der Einsicht in die von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren beigezogene Akte eines Zivilverfahrens.
Verfahrensgang
Tenor
I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Landgerichts Passau vom 24. Mai 2022 zum Az. xxx wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
III. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung wendet sich der Antragsteller gegen den Bescheid des Landgerichts Passau vom 24. Mai 2022, mit dem dem weiteren Beteiligten antragsgemäß Einsicht in die Akte des Verfahrens mit dem Aktenzeichen xxx gewährt worden ist.
Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, war in dem zivilgerichtlichen Verfahren (nachfolgend auch: Ausgangsverfahren) Beklagter. Der Kläger forderte von ihm Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Unternehmensübertragung. Er warf ihm ausweislich des insoweit nicht beanstandeten Bescheids vom 24. Mai 2022 vor, beim Unternehmensverkauf sowohl ihn, den Kläger und Verkäufer, als auch den Käufer, den weiteren Beteiligten des hiesigen Verfahrens, beraten und dadurch unter Verstoß gegen § 43a BRAO widerstreitende Interessen vertreten zu haben.
Der weitere Beteiligte erstattete wegen des Sachverhalts Strafanzeige. In dem wegen des Verdachts des Parteiverrats, § 356 StGB, eingeleiteten Ermittlungsverfahren zog die Staatsanwaltschaft die Akte des Zivilverfahrens bei und wertete sie aus. Sie teilte dem Anzeigeerstatter mit Schreiben vom 11. März 2022 mit, dass sie die Einstellung des Verfahrens wegen Verfolgungsverjährung beabsichtige. Nach dem Inhalt der Strafanzeige sei auch "unter Berücksichtigung ... sowie des Inhalts der beigezogenen Zivilakte des LG Passau, Az.: xxx" die bemakelte Beratungstätigkeit mit der Unterzeichnung des Asset Deals und der Nebenabreden am 8. Juni 2016 abgeschlossen gewesen, womit der Lauf der Verjährungsfrist begonnen habe. Für eine über diesen Stichtag hinausgehende pflichtwidrige anwaltliche Beratung bzw. eine Tätigkeit als Steuerberater, bei der der hiesige Antragsteller auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts tätig gewesen sei, gebe es keine Anhaltspunkte. Die Anlagen R7 bis R14 der Zivilakte beträfen die spätere Ausgestaltung "des Verhältnisses". Dass hier noch ein Mandatsverhältnis bestanden habe, ergebe sich nicht. Die Strafanzeige gehe selbst davon aus, dass ab der Unterzeichnung des Asset Deals der hiesige Antragsteller als faktischer Geschäftsführer "der xxx" tätig gewesen sei; dies stelle keine anwaltliche Tätigkeit mehr dar. Der weitere Beteiligte erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 4. April 2022 an die Staatsanwaltschaft monierte der weitere Beteiligte, dass ihm auf sein Einsichtsgesuch nur die Ermittlungsakte, nicht aber die beigezogene Zivilakte überlassen worden sei. Er bat, ihm Letztere nachzuliefern, da er andernfalls nicht vollständig Stellung nehmen könne. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft die Zivilakte unter Hinweis auf das Einsichtsgesuch an den Vorsitzenden der ersten Zivilkammer des Landgerichts Passau zurück zum Verbleib, verbunden mit der Bitte um Entscheidung über das Gesuch. Der Vorsitzende Richter informierte hierüber den weiteren Beteiligten und wies darauf hin, dass nach § 299 Abs. 2 ZPO Dritten Akteneinsicht ohne Einwilligung der Parteien nur gestattet werden dürfe, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht werde. Darauf brachte der weitere Beteiligte dem Vorsitzenden Richter die Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 11. März 2022 zur Kenntnis und verwies darauf, dass die Staatsanwaltschaft die Zivilakte gemäß Anforderung vom 15. Juni 2021 zur kurzzeitigen Einsichtnahme erhalten und sie zum Gegenstand ihrer Überlegungen gemacht habe. Er könne sich zu der beabsichtigten Einstellung des Ermittlungsverfahrens und der rechtlichen Auffassung der Staatsanwaltschaft nur äußern, wenn er ebenfalls die Zivilakte einsehen könne, von der die Staatsanwaltschaft keine Kopien gefertigt habe.
Der Vorsitzende Richter hörte die Parteien des Ausgangsverfahrens zum Gesuch an. Beide Parteien sprachen sich gegen eine Bewilligung aus. Ein rechtliches Interesse sei nicht glaubhaft gemacht und nicht gegeben. Der weitere Beteiligte wolle sich Informationen aus der Zivilakte beschaffen, um Argumente in dem von ihm veranlassten Ermittlungsverfahren zu gewinnen. Sein Interesse sei mithin nicht auf die Verfolgung eigener privater Rechte bzw. auf die Erlangung von Informationen zur Durchsetzung solcher Rechtspositionen, sondern auf Ausforschung gerichtet. Zudem seien die Anlagen R7 bis R14 dem weiteren Beteiligten bekannt. Darüber hinaus gehe aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft hervor, dass zum einen der Tatbestand einer Straftat nicht gegeben sei und zum anderen Verfolgungsverjährung eingetreten wäre. Auch die Rechtsanwaltskammer habe das vom weiteren Beteiligten initiierte dienstaufsichtsrechtliche Verfah...