Normenkette
ZPO §§ 3, 9
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 28.03.2023; Aktenzeichen 67 S 229/22) |
AG Berlin-Mitte (Urteil vom 09.06.2022; Aktenzeichen 12 C 541/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Berlin vom 28. März 2023 - 67 S 229/22 - wird als unzulässig verworfen.
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Berlin vom 28. März 2023 - 67 S 229/22 - teilweise wie folgt abgeändert:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 30.000,00 EUR festgesetzt (Berufung der Kläger 25.894,88 EUR; Anschlussberufung der Beklagten 4.000,00 EUR).
Die weitergehende Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
A. Die Beschwerde, die nach ausdrücklicher Erklärung im Beschwerdeschriftsatz vom 11.04.2023, auch namens der Beklagten eingelegt worden ist, ist unzulässig. Den Beklagten fehlt die erforderliche Beschwer.
Mit der Beschwerde wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts insoweit angegriffen, als die Berufung der Kläger mit einem Wert von bis zu 19.000 EUR bemessen worden ist. Die Beschwerdeführer erstreben die Festsetzung eines höheren Wertes. Die Partei kann sich grundsätzlich nur über eine zu hohe Wertfestsetzung beschweren (Toussaint, Kostenrecht, 53. Auflage, § 68 GKG, Rn. 9; BGH WuM 2012,114; KG AGS 2016,226; OLG Köln MDR 2012,185). Eine Partei wird - anders als ihr Prozessbevollmächtigter - durch die Festsetzung eines zu niedrigen Streitwerts regelmäßig nicht beschwert (s. BGH Beschlüsse vom 29.10.2009 - III ZB 40/09, juris, Rn. 3; vom 20.12.2011 - VIII ZB 59/11, WuM 2012, 114, Rn. 6 m.w.N.). B.
Die von den Prozessbevollmächtigten der Beklagten aus eigenem Recht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§ 32 Abs. 2 RVG iVm §§ 68, 63 Abs. 2 GKG). Sie hat jedoch in der Sache nur teilweisen Erfolg.
Der Klageantrag zu 4) auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung (§ 546 a BGB) von 884,79 EUR ab Juli 2019 bis zum Zeitpunkt der Herausgabe des Mietobjekts ist mit 10.648,26 EUR zu bewerten.
Der Gebührenstreitwert für eine Klage auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung bis zum - unbekannten - Zeitpunkt der Räumung richtet sich nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 3 ZPO (siehe Senatsbeschluss vom 19.09.2011 - 8 W 57/11, Grundeigentum 2011,1616; Rn. 3; OLG Stuttgart Beschluss vom 17.01.2011 - 5 U 158/10, MDR 2011,513, Rn. 9 OLG Dresden Beschluss vom 02.08.2012 - 5 W 745/12, NJW-RR 2012,1214, Rn. 10 jeweils mwN; s. Zöller/Herget, ZPO, 34. Auflage, § 3 ZPO, Rn. 16.177 Stichwort "Mietstreitigkeiten"; Anders/Gehle, ZPO, 80. Auflage, Anh. § 3, Rn. 83).
Die Höhe des Streitwertes ist gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Sachgerecht ist es, auf die voraussichtliche Dauer vom Zeitpunkt der Einreichung der Klage gemäß § 4 Abs. 1 ZPO bis zur tatsächlichen Räumung abzustellen (OLG Dresden, aaO, Rn. 10). Sofern keine besonderen Umstände vorliegen, die eine längere oder kürzere Frist erwarten lassen, ist regelmäßig von einem Zeitraum von 12 Monaten auszugehen (Senatsbeschluss vom 19.09.2011 - 8 W 57/11, aaO, Rn. 3; OLG Stuttgart; OLG Hamburg Beschluss vom 12.04.2016 - 8 W 62/15, WuM 2016, 447).
Solche besonderen Umstände sind hier im Hinblick auf die überlange, für das zivilrechtliche Erkenntnisverfahren außerordentliche Verfahrensdauer gegeben. Das Verfahren ist durch Einreichung Klage auf Räumung und Zahlung von Mietrückständen vom 13. November 2013 anhängig gemacht worden, die den Beklagten am 15.01.2014 zugestellt worden ist.
Nachfolgend haben die Beklagten Widerklage auf Rückzahlung überzahlter Miete sowie auf Beseitigung von Mängeln und Genehmigung teilgewerblicher Nutzung der Wohnung erhoben.
Durch Teilurteil vom 06.10.2016 hat das Amtsgericht Mitte - 12 C 541/13 - die Beklagten zur Räumung und Herausgabe verurteilt. Nachdem das Landgericht Berlin mit Urteil vom 20.02.2017 - 67 S 353/16 - das Teilurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Mitte zurückverwiesen hat, hat das Amtsgericht mit Urteil vom 09.06.2022 in der Sache entschieden. Hiergegen haben die Kläger Berufung und die Beklagten Anschlussberufung eingelegt. Das Verfahren ist erst durch gerichtlichen Vergleich am 28. März 2023 vor dem Landgericht Berlin abgeschlossen worden. Diese überlange Verfahrensdauer rechtfertigt es, von besonderen Umständen im dargestellten Sinne auszugehen.
Für die Feststellung der Höhe des Streitwertes ist bei der Beurteilung des Interesses der Kläger gemäß § 3 ZPO zu berücksichtigen, dass die Beklagten - unstreitig - die vertraglich geschuldete Miete in Höhe von 631,26 EUR während des langjährigen Verfahrens gezahlt haben. Hiernach verblieb eine monatliche Differenz von 253,53 EUR zur verlangen Nutzungsentschädigung von 884,79 EUR. Der Senat hält es in An...