Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 15.11.2018; Aktenzeichen (551 Rh) 152 Js 131/17 Reha (127/17))

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Berlin - Rehabilitierungskammer vom 15. November 2018 aufgehoben, soweit ihr Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung im Hinblick auf ihre Einweisungen und Unterbringungen

a) vom 6. bis zum 26. November 1986 entweder ausschließlich im Durchgangsheim ..... oder dort sowie zusätzlich im Durchgangsheim ..... und im Spezialkinderheim ..... sowie

b) vom 27. November 1986 bis zum 10. Juni 1988 im Jugendwerkhof als unbegründet zurückgewiesen worden ist.

2. Der Beschluss des Jugendhilfeausschusses des Rats des Stadtbezirks Berlin-Lichtenberg vom ..... - ..... - in Verbindung mit der Erziehungsvereinbarung der Mutter der Betroffenen, der Frau ....., mit dem Referat Jugendhilfe der Abteilung Volksbildung des Rats des Stadtbezirks Berlin-Lichtenberg vom ..... mit dem die weitere. Unterbringung der Betroffenen in einem Jugendwerkhof unter Ersetzung der verweigerten Zustimmung der Jugendhilfe angeordnet worden ist, wird für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben.

3. Die Betroffene wird insoweit rehabilitiert.

4. Es wird festgestellt, dass die Betroffene in der Zeit vom 6. November 1986 bis zum 10. Juni 1988 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hat.

5. lm Übrigen wird die Beschwerde der Betroffenen als unbegründet verworfen.

6. Kosten für das Rehabilitierungsverfahren werden nicht erhoben; die Landeskasse Berlin hat die der Betroffenen in beiden Instanzen entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

 

Gründe

I.

Die Betroffene hat mit ihrem Schriftsatz vom 28. Februar 2017 strafrechtliche Rehabilitierung sinngemäß bezüglich ihrer Heimunterbringungen

1. vom 2. Juli 1985 bis zum 5. November 1986 im Jugendwohnheim ..... in .....

2. vom 6. bis zum 26. November 1986 entweder ausschließlich im Durchgangsheim ..... oder dort sowie zusätzlich im Durchgangsheim und im Spezialkinderheim ..... sowie

3. vom 27. November 1986 bis zum 10. Juni 1988 im Jugendwerkhof beantragt.

Mit Beschluss vom 15. November 2018 hat das Landgericht ihren Rehabilitierungsantrag hinsichtlich des Heimaufenthalts im Jugendwohnheim in ..... aIs unzulässig und bezüglich der übrigen Unterbringungen als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Beschwerde.

II.

1.

Diese hat überwiegend Erfolg.

Sie ist zulässig und insbesondere rechtzeitig gemäß § 13 Abs. 1 StrRehaG eingelegt.

Die Beschwerde ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Zwar hat der Gesetzgeber geregelt, dass nicht sämtliche Nachteile im Zusammenhang mit Anordnungen von Heimunterbringungen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) der strafrechtlichen Rehabilitierung unterliegen. Insbesondere genügt noch nicht, dass angewandte Erziehungsvorstellungen und -methoden, die zumindest nicht den heutigen Maßstäben genügen, oder Verfehlungen einzelner Betreuungspersonen vorliegen und die Betroffenen belasten (vgl. KG, Beschluss vom 30. September 2011, ZOV 2012, 82).

Eine entsprechende Rehabilitierung erfordert vielmehr eine gerichtliche oder behördliche Unterbringungsanordnung aufgrund politischer Verfolgung oder sonst sachfremder Zwecke bzw. eine Unvereinbarkeit der Anordnung mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung aus sonstigen Gründen, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StrRehaG. Unabhängig von den Anordnungsgründen kommt eine Rehabilitierung auch dann in Betracht, wenn die gerichtlich oder behördlich veranlasste Einweisung Betroffener aufgrund generell-systematischer Menschenrechtsverletzungen mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen und rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist (vgl. KG, Beschluss vom 15. Dezember 2004, ZOV 2005, 289 sowie Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin; Beschlus vom 16. Januar 2019, ZOV 2019, 16). Darüber hinaus erfolgt die Rehabilitierung gemäß § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 und § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StrRehaG auch dann, wenn die gerichtliche oder behördliche Anordnung ein Leben oder Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen vorsieht.

Schließlich bedarf es - nach Ausschöpfung aller relevanten und verfügbaren Erkenntnisquellen (§ 10 Abs. 1 StrRehaG) - der Feststellbarkeit der vorgenannten Voraussetzungen zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, wobei die Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen nicht wie in anderen Rechtsgebieten im Zweifel zugunsten der Betroffenen Berücksichtigung findet (vgl. zum diesbezüglichen Maßstab erneut Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin a. a. O., m. w. N.).

2.

In Prüfung der anspruchsbegründenden Tatsachen anhand der vorgenannten Maß- stäbe bleibt letztlich zwar ungeklärt, ob die Betroffene im Zeitraum vom 6. bis zum 26. November 1986 ausschließlich im Durchgangsheim Berlin-..... oder dort sowie zusätzlich im Durchgangsheim ..... und im Spezialkinderheim ..... untergebracht gewesen ist. Für einen...

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