Leitsatz (amtlich)
1. Liegen die Anlasstaten vor dem 1. Juni 2013, sind bei Entscheidungen über die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß Art. 316f Abs. 2 Satz 1 EGStGB die bis zum 31. Mai 2013 geltenden Vorschriften über die Sicherungsverwahrung nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 anzuwenden.
2. Zu diesen Vorschriften zählt die Regelung des § 67d Abs. 3 StGB, die auch für Verfahren gilt, denen eine vor ihrem Inkrafttreten begangene Tat zugrunde liegt.
3. In Altfällen ist die Fortdauer der Sicherungsverwahrung nach Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB nur zulässig, "wenn beim Betroffenen eine psychische Störung vorliegt und aus konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten eine hochgradige Gefahr abzuleiten ist, dass er infolge dieser Störung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen wird."
4. Der Begriff der psychischen Störung im Sinne von Art. 316f Abs. 2 ist so zu verstehen wie in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 17.12.2014; Aktenzeichen 70 Js 1249/97 (29209) V - 590 StVK 301/13) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 17. Dezember 2014 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
A.
Das Landgericht Berlin verurteilte den einschlägig vorbestraften Beschwerdeführer am 3. Juni 1998 wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung (Tatzeit: 10. November 1997) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und ordnete die Sicherungsverwahrung gegen ihn an.
Die Freiheitsstrafe war am 27. August 2001 vollständig verbüßt. Seitdem wurde die Sicherungsverwahrung gegen den Beschwerdeführer faktisch vollzogen, bis die zuständige Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 23. Mai 2002 auch formell ihre Vollziehung anordnete. Mit dem Beschluss über die Fortdauer der Maßregel vom 5. Mai 2006 bestimmte die Kammer sodann zugleich, dass der Beschwerdeführer in den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus überwiesen wird. Mit Beschlüssen vom 14. Oktober 2009 und 31. August 2011 ordnete sie auf der Grundlage von ihr eingeholter forensisch-psychiatrischer Sachverständigengutachten jeweils die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und ihres Vollzuges in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Am 9. November 2012 erging eine weitere Fortdauerentscheidung.
Am 15. November 2013 beschloss die Strafvollstreckungskammer erneut, dass die Maßregel und ihr Vollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus fortzudauern hätten; eine Begutachtung des Verurteilten war zuvor nicht erfolgt. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten hob der Senat diese Entscheidung mit Beschluss vom 16. Januar 2014 - 2 Ws 3/14 - auf und verwies die Sache zu neuer Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurück, weil diese ihren Beschluss in anderer Besetzung als derjenigen erlassen hatte, die zuvor an der mündlichen Anhörung des Verurteilten teilgenommen hatte. Am 9. Mai 2014 beschloss die Strafvollstreckungskammer abermals die Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung und deren Vollzug durch Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Auch diese Entscheidung hob der Senat auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten mit Beschluss vom 1. Juli 2014 - 2 Ws 250-251/14 - auf. Die Strafvollstreckungskammer hatte es entgegen § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO versäumt, ein ergänzendes Sachverständigengutachten einzuholen.
Mit der angefochtenen Entscheidung vom 17. Dezember 2014 hat die Strafvollstreckungskammer wiederum die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung und deren weiteren Vollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus beschlossen.
B.
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig, insbesondere statthaft (§§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 3 Satz 1 StPO) und rechtzeitig (§ 311 Abs. 2 StPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
I. Über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung war nach Maßgabe des § 67d Abs. 3 StGB i.V.m. Art. 316f Abs. 2 EGStGB zu entscheiden. Die Beschwerde weist insoweit zu Recht darauf hin, dass das Landgericht diese Normen nicht genannt hat und seiner Entscheidung offenbar allein die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2356/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 ff.) zugrunde gelegt. Zu einem anderen Ergebnis führt dies aber letztlich nicht, da der Gesetzgeber sich bei der Neuregelung eng an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angelehnt hat, dabei insbesondere dessen strengen Prüfungsmaßstab für die Anordnung und Fortdauer der Sicherungsverwahrung in Altfällen zu Eigen gemacht hat. Im Einzelnen:
1. Durch Art. 7 des am 1. Juni 2013 in Kraft getretenen Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I 2425 f.) wurde Art. 316f EGStGB als Übergangsvorschrift eingeführt. Aus dessen Abs. 2 Satz 1 ergibt sich für den vo...