Leitsatz (amtlich)
Hat ein Verurteilter zweifelsfrei die Einwilligung nach § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB abgelehnt, so entfällt die Möglichkeit, die Vollstreckung des Rests einer Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Es genügt dann, die Weigerung in einem Aktenvermerk festzuhalten. Dieser Vermerk ist dem Verurteilten mit dem Hinweis auf die jederzeit mögliche Nachholung der Einwilligung mitzuteilen.
Tenor
1.
Die Beschwerden des Verurteilten vom 31. Juli 2005 werden insoweit als unzulässig verworfen, als er
a)
die Wiederherstellung der Zuständigkeit des Einzelrichters für das Verfahren nach § 57 Abs. 1 StGB,
b)
den Ausschluß des Richters am Landgericht V... aus dem Verfahren wegen der Besorgnis der Befangenheit sowie
c)
die Beiordnung des Rechtsanwalts W... W... als Pflichtverteidiger begehrt.
2.
Auf die Untätigkeitsbeschwerde des Verurteilten wird angeordnet, daß das Verfahren über die Aussetzung der Reststrafe unverzüglich vor der großen Strafvollstreckungskammer fortzusetzen ist.
3.
Die Landeskasse Berlin hat ein Viertel der Kosten des Beschwerdeverfahrens und der dem Beschwerdeführer in diesem Rechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Im übrigen werden die Kosten der Beschwerden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Gründe
Das Landgericht Berlin hat den Beschwerdeführer am 8. Mai 1998 wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung, Beleidigung in fünf Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und die anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet. Zwei Drittel dieser Strafe waren am 12. Juni 2003 vollstreckt. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Vollstreckung nach § 454b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO unterbrochen. Danach verbüßte der Beschwerdeführer drei Monate Gesamtfreiheitsstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 8. Mai 2001 und sodann eine Reststrafe von 488 Tagen aus ursprünglich vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe, zu der das Landgericht ihn am 24. September 1996 - im wesentlichen - wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung verurteilt hatte. Seit dem 13. Januar 2005 wird wieder die Strafe aus dem erstgenannten Urteil vollstreckt.
Am 7. Juli 2005 fand vor dem Einzelrichter der Strafvollstreckungskammer ein Anhörungstermin zur Prüfung nach § 57 Abs. 1 StGB statt, der zu keiner inhaltlichen Entscheidung geführt hat. Während der Anhörung kündigte der Einzelrichter u.a. an, die Sache solle wegen ihres Zusammenhanges mit dem nicht mehr fernen Beginn der Sicherungsverwahrung an die große Strafvollstreckungskammer abgegeben werden. Der Verurteilte lehnte den Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Diesen Antrag verwarf die Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer als Einzelrichterin am 18. Juli 2005. Am selben Tage verwies sie - ebenfalls als Einzelrichterin - die Sache an die große Strafvollstreckungskammer.
Mit seinem Schreiben vom 31. Juli 2005, das den Anlaß für das Tätigwerden des Senats bietet, beantragt der Beschwerdeführer,
1.
"unter Aufrechterhaltung des Ablehnungsgesuchs den Antragsteller gegenüber dem Richter vom 7.7.2005 die Wiedereinsetzung des Rechtszustandes vom 7.7.2005 zu gewähren",
2.
"dem Antragsteller für das Strafvollstreckungsverfahren über die eindeutig gesetzlich geregelte Frage der Durchführung des Verfahrens gem. der §§ 57 ff. resp. der §§ 67 ff. und der weiteren notwendigen verteidigungsrechtlichen Schritte für die entsprechenden bereits schon lange ausstehenden Entscheidungen der zuständigen StVK über die vorzeitige Entlassung des Antragstellers (Hervorhebung durch den Senat) seinen Rechtsanwalt W... W..., ... beizuordnen ...",
3.
"bei nicht antragsgemäßer Entscheidung die vorliegende Sache umgehend dem Kammergericht vorzulegen und dazu die form- und fristgemäßen Voraussetzungen zu schaffen unter expliziter Beachtung des Beschleunigungsgebotes (Hervorhebung durch den Senat) ...".
Die Rechtsmittel haben nur in der Form der Untätigkeitsbeschwerde Erfolg. Im übrigen sind sie unzulässig.
I.
Um Inhalt und Ziel der Rechtsmittel verstehen zu können (§ 300 StPO), bedarf es der Darstellung des Verfahrensverlaufs seit 2003.
1
Der gemeinsame Zwei-Drittel-Zeitpunkt aller Strafen war am 12. August 2003 erreicht. Seither ist keine inhaltliche Entscheidung ergangen.
Die Justizvollzugsanstalt bereitete die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung nach § 57 Abs. 1 StGB schon am 20. März 2003 vor; der Verurteilte lehnte es an diesem Tage ab, das Formblatt JVollz 548 zu unterschreiben, das - wahlweise - die Erklärung zuläßt,
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der Verurteilte beantrage die Aussetzung zur Bewährung,
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er stelle keinen Antrag, sei aber mit einer vorzeitigen Entlassung einverstanden,
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willige in die Aussetzung nicht ein.
Am 21. August 2003 meldete sich Rechtsanwalt Z... als Verteidiger und bat, den Termin zur Anhörung aufzuschieben, bis (in anderer Sache) ein Gutachten des Sachverständigen Dr. P... vorliege. Am 4. September 2003 reichte der Ver...