Leitsatz (amtlich)
Der Besitz von Gegenständen zur Freizeitgestaltung findet im Strafvollzug seine Grenze, wenn die Sicherheit der Anstalt gefährdet wird. Dies ist bei der Benutzung von DVBT-Decodern der Fall, da diese die Möglichkeit eröffnen, einem Gefangenen unkontrolliert Informationen zu übermitteln.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 28.04.2006; Aktenzeichen 546 StVK 630/03 Vollz) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt ... wird der Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 28. April 2006 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung aufgehoben.
Der Antrag des Gefangenen vom 31. August 2003, ihm den Erwerb und Besitz sowie die Nutzung der Set-Top-Box SL DVBT 2 ... zu genehmigen, wird abgelehnt.
Der Gefangene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Der Gefangene verbüßt zur Zeit mehrere Freiheitsstrafen in der Justizvollzugsanstalt ... und befindet sich zur Zeit dort in der Sozialtherapeutischen Anstalt. Bis zum dritten Quartal des Jahres 2003 konnte er mit seinem Fernsehgerät kostenfrei diverse Fernsehsender empfangen. Nach der sodann erfolgten Umstellung der terrestrischen Abstrahlung von Radio- und Fernsehprogrammen von analog auf digital war der Empfang nicht mehr mittels einer normalen Zimmerantenne möglich, sondern nur über einen Kabelanschluß oder eine Satellitenanlage. Ein
kostenfreier Fernsehempfang wäre seither nur durch Vorschaltung eines Digital-Analog-Umwandlers (DVBT-Decoder oder Set-Top-Box) - der nur einmal bezahlt werden muß - möglich. Um den Gefangenen auch weiterhin den Fernsehempfang ohne einen DVBT-Decoder zu ermöglichen, wurden in den Hafträumen der Justizvollzugsanstalt Tegel Antennensteckdosen der "c... GmbH" installiert, an denen das Signal für 30 Fernsehsender anliegt. Für einen monatlichen Beitrag von 5,97 Euro kann jeder Insasse einen solchen Anschluß anmieten. Der Empfang von Videotext ist auf diesem Wege für die Gefangenen nicht möglich, da er ausgefiltert wird. Einige der mit Genehmigung der Anstalt zu empfangenen Sender stellen offizielle, vom Sender eingespeiste Nachrichten (zum Beispiel N 24, Phönix) zur Verfügung, während die Musikkanäle (VIVA, MTV) auch private Mitteilungen ausstrahlen, die Nutzer von Mobiltelefonen per SMS an die von den Fernsehsendern hierfür eingerichteten Telefonnummern übermitteln können. Diese Mitteilungen werden vor der Ausstrahlung von den jeweiligen Sendern auf verbotene Medieninhalte überprüft.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 31. August 2003 begehrt der Gefangene weiterhin die Genehmigung der Einbringung und Nutzung der Set-Top-Box SL DVBT 2 .... Es handelt sich hierbei um einen Digital-Analog-Umwandler, der den terrestrischen Empfang des in Berlin digital gesendeten Fernsehprogramms ermöglicht. Diese Set-Top-Box (DVBT-Decoder) ermöglicht weiterhin auch den Empfang von Videotext und damit den Zugang zu sogenannten Chatrooms, in denen Nachrichten von privaten Nutzern von Mobiltelefonen abgebildet werden. Ein Software-Update des Decoders ist per Antenne möglich. Der Anbieter kann, ohne daß der Benutzer des Gerätes etwas tun müßte, das Gerät dem neuesten Stand der Technik und so die Empfangsleistung dem technischen Fortschritt anpassen.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer den Leiter der Justizvollzugsanstalt ... verpflichtet, unter Aufhebung des (ablehnenden) Bescheides vom 20. August 2003, dem Antragsteller den Erwerb und Besitz sowie die Benutzung eines DVBT-Empfängers vom Typ SL DVBT 2 ... im Haftraum mit der Maßgabe zu gestatten, daß die Hohlräume des Gerätes vor Aushändigung an den Antragsteller auf dessen Kosten versiegelt bzw. verplombt werden und daß die Anzahl von vier elektrischen Geräten im Haftraum des Antragstellers nicht überschritten wird. In ihrer Begründung führt die Strafvollstreckungskammer aus, daß der Empfang von Videotext - und damit auch der Zugang zu den Chatrooms - nur eine geringfügige Risikoerhöhung darstelle. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Anstaltsleiter die Verletzung materiellen Rechts.
Der Senat läßt die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ( § 116 Abs. 1 StVollzG) zu, da die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer von denjenigen des OLG Frankfurt am Main (vgl. Beschlüsse vom 5. April 2007 - 3 Ws 162/07 (StVollz) - und vom 22. November 2006 - 3 Ws 1071-1072/06 -) sowie derjenigen des OLG Celle (vgl. NStZ 2002, 111) abweicht.
1.
Obergerichtlich ist geklärt, daß das Recht des Gefangenen, in angemessenen Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitgestaltung zu besitzen ( § 70 StVollzG) gesetzlichen Einschränkungen unterliegt. Nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG besteht dieses Recht unter anderem dann nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstandes die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde. Das Vorliegen einer solchen Gefährdung kann ohne Verfassungsverstoß allein wegen der grundsätzlich gege...