Leitsatz (amtlich)
Sieht der Gründungsvertrag einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung mit Sitz in Deutschland die Durchführung von Mitgliederversammlungen auf Einladung des Geschäftsführers vor, führt eine Durchführung ohne eine solche Einladung zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse. Eine Anwendung der §§ 241ff. AktG scheidet aus.
Normenkette
AktG § 241 ff.; EWiV-Ausführungsgesetz § 1; EWiV-VO Art. 16
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 90 HRA 48106 B) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligte, eine Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, ist seit dem 16. Juni 2010 im Handelsregister eingetragen, seit dem 29. April 2013 im Handelsregister A des Amtsgerichts Charlottenburg.
Mit einer notariell beglaubigten elektronischen Erklärung vom 12. Februar 2019 meldeten ein Herr ... und ein Herr ... an, dass der bisherige Geschäftsführer ... abberufen und eine Mitgliederversammlung vom 31. Januar 2019 die Auflösung der Gesellschaft und ihre Bestellung zu einzelvertretungsbefugten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Liquidatoren beschlossen habe. Der Anmeldung war ein Protokoll einer Mitgliederversammlung vom 31. Januar 2019 beigefügt. Danach waren 40 Mitglieder auf der Versammlung persönlich vertreten und 47 durch Bevollmächtigte. Nach der Feststellung einer fehlenden Beschlussfähigkeit wurde eine halbe Stunde später eine Folgeversammlung eröffnet. In dieser wurde einstimmig der bisherige Vorstand abberufen und ein Herr Wartmann zum neuen Vorstand bestellt. Weiter wurde der bisherige Geschäftsführer ... einstimmig abberufen und mit absoluter Mehrheit der vertretenen Stimmen die Anmelder zu Geschäftsführern bestellt. Weiter wurde einstimmig die Auflösung der Gesellschaft und ein Weiterwirken der neu gewählten Geschäftsführer als Liquidatoren beschlossen. Der Anmeldung waren weiter eine Anwesenheitsliste, die Einladung per eMail vom 30. Dezember 2018 zu der Versammlung, die Mitteilung der Tagesordnung per eMail vom 16. Januar 2019 und die Vollmachten beigefügt.
Diese Anmeldung hat das Amtsgericht mit einem Beschluss vom 2. April 2019 zurückgewiesen. Der Beschluss vom 31. Januar 2019 sei nicht wirksam gefasst. Die EWiV-VO lasse zwar zu, dass die Satzung der Gesellschaft - wie hier - eine 2/3 Mehrheit für den Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft vorsehen könne. Wegen des personenbezogenen Charakters der EWiV sei aber von einer 2/3 Mehrheit aller Mitglieder auszugehen. Außerdem bestünden Bedenken, ob die Versammlung ordnungsgemäß einberufen worden sei. Die bestellten Liquidatoren seien zur Einladung wohl nicht (mehr) befugt gewesen, die mitgeteilte Tagesordnung sei auch in Bezug auf die Auflösung zu unbestimmt und schließlich sei auch fraglich, ob alle Mitglieder eingeladen worden seien.
Gegen diesen Beschluss hat die Gesellschaft mit einem Schreiben vom 30. April 2019, eingegangen am gleichen Tag, Beschwerde eingelegt. Dieser hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 27. Juni 2019 zur Entscheidung vorgelegt.
II. 1. Die im Namen der Gesellschaft eingelegte Beschwerde ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerdefrist von einem Monat nach § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt, die gegen den Beschluss vom 2. April 2020 gerichtete Rechtsmittelschrift ist am 30. April 2020 beim Amtsgericht eingegangen. Von dem Erreichen des Beschwerwertes nach § 61 Abs. 1 FamFG ist wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Anmeldegegenstände auszugehen. Die eingetragene Gesellschaft ist auch durch die Verweigerung der Eintragung neuer Vertretungsorgane und der Auflösung beschwert im Sinne des § 59 Abs. 1 und 2 FamFG. Auf der Grundlage des der Beschwerde zugrunde zu legenden Vortrags ist die Beteiligte durch die neu bestellten Organmitglieder schließlich ausreichend vertreten.
2. Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg, das Amtsgericht hat die Eintragung des Ausscheidens des bisherigen Geschäftsführers, die Auflösung und die Eintragung der beiden Anmeldenden als neue Liquidatoren zu Recht abgelehnt. Eine Eintragung ist nicht möglich, weil die in der Versammlung vom 31. Januar 2019 gefassten Beschlüsse unwirksam sind.
a) Die Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse ergibt sich daraus, dass die Tagesordnung nicht durch geschäftsführende Personen mitgeteilt worden ist.
Die Durchführung einer Mitgliederversammlung ist nach der Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWiV) - im Folgenden EWiV-VO - nicht vorgesehen. Art. 16 Abs. 1 EWiV-VO spricht lediglich von gemeinschaftlich handelnden Mitgliedern, die Beschlüsse fassen, Art. 16 Abs. 3 EWiV-VO. Insoweit besteht aber Einigkeit, dass hierzu jede Form von Beschlussfassung in Betracht kommt, die auch im Gründungsvertrag näher bestimmt werden kann (Systematischer Praxiskommentar Personengesellschaftsrecht/Heinemann, Art. 17 EWiV-VO Rdn. 11; Jung in Jung/Kreb...