Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 05.12.2019; Aktenzeichen 27 O 197/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 05.12.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 27 O 197/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieser Beschluss ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 10.000,00 EUR.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich gegen eine online-Berichterstattung der Beklagten und begehrt die Erstattung vorgerichtliche Anwaltskosten.
Der Kläger, ein XXX geborener XXX und XXX, unterhält zumindest seit Juli 2014 eine Liebesbeziehung zu seiner im Juni 2000 geborenen Nichte XXX. Am 06.03.2015 setzte sich das Paar ins Ausland ab. Die Eltern von XXX erstatteten gegen den Kläger am selben Tage Strafanzeige wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines Kindes und der Entziehung einer Minderjährigen. Im Zuge der darauf eingeleiteten Ermittlungen übermittelte die Polizeidirektion XXX am 08.03.2015 eine Pressemitteilung an die Medien, in der die beiden Gesuchten unter Beifügung von Fotos namentlich genannt werden und um Mithilfe gebeten wurde (Anlage K 1 = Bl. I 51 d.A.).
Der Fahndungsaufruf fand ein bundesweites Medienecho. Bereits in einer Medieninformation vom 09.03.2015, 13:00 Uhr, teilte das Polizeipräsidium mit, dass sich der Tatbestand der Entziehung Minderjähriger bislang nicht bestätigt habe. Die Polizei bat darum, das Bild des Onkels und dessen Namen aus der Veröffentlichung herauszunehmen. Ob und inwieweit sich die Verdachtsmomente wegen eines möglichen sexuellen Missbrauchs eines Kindes erhärten ließen, werde im Rahmen eines eingeleiteten Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft XXX überprüft werden (Anlage K2 = Bl. I 52 d.A.).
Das Paar wurde im April 2015 aufgrund des Hinweises einer Urlauberin in Frankreich aufgefunden. Zu den in diesem Zusammenhang ergangenen Veröffentlichungen wird auf die Anlagen B1-B6 verwiesen Die Beklagte berichtete darüber nach Maßgabe der Anlage K3 (= Bl. I 53-54 d.A., B2) auf der von ihr zu verantwortenden Internetpräsenz www.XXX.de unter dem Titel "Mit Onkel durchgebrannt XXX ist wieder zu Hause in XXX". Dort heißt es entsprechend der dpa-Meldung vom 11.04.2015 (Anlage B7) u.a. "Gegen den 47jährigen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines Kindes. Da kein dringender Tatverdacht besteht, ist er auf freiem Fuß".
Die gegen den Kläger gerichteten Ermittlungen wegen des Verdachts des schweren Missbrauchs eines Kindes wurden mangels hinreichenden Tatverdachts am 24.06.2015 eingestellt. Die Auseinandersetzungen um die von den Eltern der Jugendlichen eingeleiteten sorgerechtlichen Schritte sind in der Entscheidung des OLG Brandenburg vom 24.03.2016 - 9 UF 132/15 - zusammengefasst, deretwegen auf die Anlage K4 (Bl. I 55-69 d.A.) verwiesen wird. Der Kläger und XXX, die mittlerweile zusammenleben, gingen im Januar 2018 mit ihrer Liebesbeziehung in die Öffentlichkeit (Anlage K5 = Bl. I 70 f. d.A.).
Der Kläger mahnte die Beklagte nach Maßgabe der Anlage K6 (Bl. I 72-76 d.A.) am 02.10.2018 erfolglos ab. Die Beklagte hat daraufhin mit einer redaktionellen Anmerkung darauf hingewiesen, dass sich der Verdacht des sexuellen Missbrauchs als unbegründet erwiesen habe und das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei (Anlage B2); die Abgabe einer Unterlassungserklärung lehnte sie ab (Anlage K7 = Bl. I 77 f. d.A.). Der Kläger macht mit seiner Klage Ansprüche auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten geltend.
Die beanstandete Veröffentlichung vom 11.04.2015 sei als unzulässige identifizierende Verdachtsberichterstattung zu qualifizieren. Dass er sich wegen sexuellen Missbrauchs strafbar gemacht habe, sei von Anfang an sehr vage gewesen und entbehre tatsächlich jeder Grundlage. In diesem Zusammenhang könne sich die Beklagte auch nicht auf das Agenturprivileg berufen; sie habe die identifizierenden Merkmale nicht ungeprüft übernehmen dürfen. Der Kläger behauptet, er und XXX seien im Übrigen auch während der Flucht, jedenfalls per E-Mail, erreichbar gewesen und hätten sich in Reichweite der örtlichen Polizeibehörden aufgehalten. Die Beklagte hat sich - primär - damit verteidigt, dass der Kläger, der die Vorwürfe im Nachhinein selbst öffentlich thematisiert habe, schon nicht erkennbar sei und seinen Belangen durch den redaktionellen Zusatz Rechnung getragen worden sei. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie wegen der erstinstanzlichen Anträge wird auf das angefochtene Urteil vom 05.12.2019 verwiesen.
Mit diesem hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger sei anhand der angegriffenen Berichterstattung aufgrund der mitgeteilten Informationen schon nicht identifizierbar. Dass er wegen anderweitiger, weitergehender Veröffentlichungen in den Medien durch einfache Recherchen identifiziert werden könne, habe außer Betracht zu bleiben, solange nicht vorgetragen oder...