Tenor
1. Die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Türkei zum Zwecke der Strafvollstreckung wegen der in dem Urteil des 2. Schwurgerichts Kayseri vom 5. Juni 2001 - Geschäftsnummer 2000/222; Urteilsnummer 2001/178 - verhängten Freiheitsstrafe von sechs Jahren, elf Monaten und zehn Tagen wird für zulässig erklärt.
2. Die Auslieferungshaft dauert fort.
Gründe
Die türkischen Behörden haben auf dem dafür vorgesehenen diplomatischen Wege mit Auslieferungsersuchen vom 6. November 2012 um die Festnahme und Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafvollstreckung ersucht.
Der Verfolgte ist am 30. Mai 2013 vorläufig festgenommen worden. Bei seiner noch am selben Tag nach §§ 22, 28 IRG veranlassten richterlichen Vernehmung hat er sich nicht mit der vereinfachten Auslieferung (§ 41 IRG) einverstanden erklärt und auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität nicht verzichtet.
Der Senat hat mit Beschluss vom 5. Juni 2013 gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG angeordnet.
I. Die Auslieferung des Verfolgten ist zulässig (§ 29 Abs. 1 IRG).
1. Die Auslieferungsunterlagen zu der Verbalnote 2013/BERL/8509123 vom 9. Januar 2013 - Auslieferungsersuchen der Oberstaatsanwaltschaft Kayseri vom 6. November 2012 - entsprechen den Anforderungen des Art. 12 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (EuAlÜbk) vom 13. Dezember 1957 (BGBl. 1964 II S. 1369; 1976 II S. 1778). Das Ersuchen beinhaltet die Wiedergabe der einschlägigen Strafvorschriften des türkischen Gesetzbuchs, und ihm sind beglaubigte Abschriften des Haftbefehls der Oberstaatsanwaltschaft Kayseri vom 28. Februar 2011 sowie des seit dem 1. April 2004 rechtskräftigen Urteils des 2. Schwurgerichts Kayseri vom 5. Juni 2001 - 2000/222; Urteilsnummer 2001/178 - beigefügt, wonach der Verfolgte wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren, elf Monaten und zehn Tagen verurteilt worden ist. Es weist aus, dass der Verfolgte im Jahr 1996 die am 17. November 1984 geborene A. "heiratete" und 1997 mehrfach mit dem Kind sexuell verkehrte.
2. Die Strafe ist nicht, auch nicht zu einem Teil, verbüßt. Das Urteil enthält die Option, nach zwei Jahren, neun Monaten und 13 Tagen vorzeitig entlassen zu werden. Ob die Haftentlassung nach Verbüßung dieser Zeit obligatorisch ist oder unter Vorbehalten steht, ist für die Auslieferungsentscheidung, anders als der Beistand des Verfolgten meint, ohne Bedeutung. Maßgeblich ist, dass die dem Verfolgten vorgeworfene Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens einem Jahr bedroht ist (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuAlÜbk) und die noch zu vollstreckende Strafe mehr als vier Monate beträgt (Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EuAlÜbk). Beides ist der Fall.
3. Die dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegende Verurteilung genügt inhaltlich den Anforderungen von Art. 12 Abs. 2 b) EuAlÜbk. Ausreichend ist eine konkrete Darstellung des Sachverhalts unter Schilderung der Tathandlungen nach Zeit und Ort ihrer Begehung, so dass die sinngemäße Strafbarkeit nach deutschem Recht geprüft werden kann (vgl. OLG Düsseldorf StRR 2010, 155 [LS m. Kurzwiedergabe, Volltext bei juris]; Schomburg in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hacker, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 5. Aufl., Art. 12 EuAlÜbk Rdn.4). Dem wird das Auslieferungsersuchen gerecht.
a) Entgegen der Auffassung des Verfolgten ist der dem Urteil zugrunde liegende Tatzeitraum durch die Angabe des Jahres 1997 in der Urteilsurkunde hinreichend bestimmt. Dass das Urteil nicht die genaue Zahl der zum Nachteil des Kindes begangenen Einzeltaten ausweist, ist unschädlich. Wie die im Auslieferungsersuchen mitgeteilten Strafvorschriften belegen, ist als Anknüpfungspunkt für die Rechtsfolgenentscheidung nach türkischem Recht lediglich die wiederholte Verletzung maßgeblich, weshalb die genaue Zahl der Tathandlungen im Urteil nicht festgestellt werden muss.
b) Auch enthält das Auslieferungsersuchen die anwendbaren Gesetzesbestimmungen des ersuchenden Staates und die Angaben zur Person des Verfolgten in Art. 12 EuAlÜbk genügender Weise. Der Beistand des Verfolgten rügt zu Unrecht, dass das Auslieferungsersuchen die Gesetzesbestimmungen über die Vollstreckungsverjährung nicht im (übersetzten) Wortlaut enthält. Zwar ist dem Auslieferungsersuchen nach Art. 12 Abs. 2 c) EuAlÜbk "eine Abschrift der anwendbaren Gesetzesbestimmungen oder, sofern dies nicht möglich ist, eine Erklärung über das anwendbare Recht" beizufügen. Dies erfordert aber nicht die Beifügung aller Vorschriften des materiellen und prozessualen Rechts, die zur Grundlage des verurteilenden Erkenntnisses geworden sind und die Zulässigkeit seiner Vollstreckung belegen. Dies gilt erst recht für Vorschriften, die erst in Verbindung mit Negativtatsachen Bedeutung erlangen können, etwa im Zusammenhang mit dem "Nichtvorliegen" von Verfahrenshindernissen. Fehlen begründete Anhaltspunkte dafür, dass eine Gesetzesbestimmung für das Auslieferungsverfahren von Bedeutung sein kann...