Leitsatz (amtlich)

1. Jedenfalls bei einem Beurkundungsauftrag im Sinne von § 29 Nr. 1 GNotKG kann sich ein Notar bezüglich der Vertretungsmacht des handelnden Geschäftsführers einer GmbH auf die negative Registerpublizität des § 15 Absatz 1 HGB berufen.

2. Die eine Berufung auf die negative Registerpublizität ausschließende Kenntnis im Sinne von § 15 Absatz 1 HGB setzt positive Kenntnis der einzutragenden Tatsache voraus. Fahrlässige Unkenntnis im Sinne eines Kennenmüssens reicht nicht aus. Zu Nachforschungen ist der Dritte nicht verpflichtet.

3. Die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers lässt die als konkrete Vertretungsregelung in Spalte 4 unter b) im Handelsregisterblatt eingetragene Einzelvertretungsberechtigung des bisherigen Alleingeschäftsführers regelmäßig nicht entfallen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 80 OH 49/17)

 

Tenor

Der gegen die Kostenberechnung der Antragsgegnerin vom 30. November 2016 (Rechnungsnummer 7264/2016) gerichtete Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

 

Gründe

I. Im Zusammenhang mit der Übertragung der Geschäftsanteile der Antragstellerin durch einen Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 30. September 2016 (UR-Nr. 275/2016 des Notars E...) wurde der frühere Geschäftsführer der Antragstellerin G... abberufen. Die Abberufung stand hierbei unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des Kaufpreises aus dem Anteilskauf- und Abtretungsvertrag. Darüber hinaus wurde Dr. A... mit sofortiger Wirkung als weiterer Geschäftsführer neben dem bisherigen Alleingeschäftsführer G... bestellt.

In der Folgezeit gerieten die Vertragsparteien des Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag darüber in Streit, ob der Kaufpreis in voller Höhe gezahlt worden sei. Mit Schreiben vom 2. November 2016 erklärte die Verkäuferseite den Rücktritt von dem Vertrag. Im Zuge dieser Auseinandersetzung ordnete das Landgericht Wiesbaden (12.O.55/16) mit Beschluss vom 17. November 2016 im Wege der einsteiligen Verfügung die Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste der Antragstellerin im Handelsregister an.

Mit dem von der Antragsgegnerin beurkundeten Vertrag vom 13. Oktober 2016 (UR-Nr. 275/2016) kaufte die Antragstellerin ein Grundstück in Berlin. Im Zuge der Finanzierung dieses Kaufvertrages beauftragte der frühere Geschäftsführer der Antragstellerin G... als deren Vertreter die Antragsgegnerin damit, die Bestellung der Grundschuld zu beurkunden.

Die Antragstellerin, handelnd durch den neuen Geschäftsführer Dr. A..., sowie deren Verfahrensbevollmächtigter wiesen die Antragsgegnerin darauf hin, dass der Kaufpreis aus dem Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 30. September 2016 vollständig bezahlt und der frühere Geschäftsführer der Antragstellerin G... damit wirksam abberufen sei. Sie forderten die Antragsgegnerin auf, Erklärungen, die der frühere Geschäftsführers G... für die Antragstellerin abgebe, nicht zu beurkunden.

Am Vormittag des 29. November 2016 beurkundete die Antragsgegnerin die Bestellung der Grundschuld (UR-Nr. 313/1016) durch den früheren Geschäftsführer G... als Vertreter der Antragstellerin. Zuvor belehrte die Antragsgegnerin über die Folgen einer fehlenden Vertretungsmacht. Der frühere Geschäftsführer G... erklärte, ihm sei bekannt, dass die Geschäftsanteile der Antragstellerin aufschiebend bedingt durch die Kaufpreiszahlung abgetreten worden seien und er bei Wirksamkeit der Abtretung der Geschäftsanteile als Geschäftsführer abberufen sei. Es bestehe jedoch keine Einigkeit hinsichtlich der Wirksamkeit der Abtretung zwischen den Parteien des Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrages.

Zu diesem Zeitpunkt enthielt das Handelsregisterblatt der Antragstellerin in Spalte 4 unter a) folgende Eintragung:

"Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten."

In Spalte 4 unter b) war G... als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer eingetragen.

Am Nachmittag nach der Beurkundung sandten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin an die Antragsgegnerin eine die Kopie jener einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Wiesbaden vom 28. November 2016, durch die dem früheren Geschäftsführer G... die Ausübung jeglicher Geschäftsführertätigkeit für die Antragstellerin untersagt worden war. Die Antragsgegnerin informierte die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin über die erfolgte Beurkundung der von dem früheren Geschäftsführer G... für die Antragstellerin abgegebenen Grundschuldbestellung.

Mit Schreiben vom 30. November 2016 zeigte die Antragsgegnerin der finanzierenden Bank weisungsgemäß die im Grundstückskaufvertrag vom 13. Oktober 2016 (§ 12 Nr. 3.) erfolgte Abtretung von Auszahlungsansprüchen gegenüber der finanzierenden Bank aus dem durch die Grundschuld gesicherten Fina...

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