Leitsatz (amtlich)
1. Der Versicherer (VR) einer Dread Disease Versicherung ist gem. § 2 Abs. 2 S. 2 VVG von der Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer (VN) ein geändertes Angebot des VR erst nach Kenntnis von dem Eintritt einer schweren Krankheit (Versicherungsfall) unterzeichnet und absendet oder von einem Vertreter absenden lässt.
2. Der VR muss zwar die Kenntnis des VN von dem Eintritt des Versicherungsfalls beweisen (BGH VersR 2000, 1133 Rz. 11 zit. nach Juris). Den VN trifft jedoch eine erhöhte Darlegungslast. Er muss vortragen, wann er welche Informationen erhalten hat, wenn er wegen typischer Symptome eines Herzinfarktes (Schmerzen, Brennen, Druck im Brustbereich mit Erbrechen) von dem behandelnden Arzt in ein Krankenhaus eingewiesen und von dort nach Durchführung von Untersuchungen (Echokardiographie, Feststellung erhöhter Troponinwerte) in ein größeres Krankenhaus auf die Intensivstation eingeliefert wurde und dort ein Aufnahmegespräch stattgefunden hat.
3. Der VR ist in einem solchen Fall auch wegen der Verletzung der Anzeigeobliegenheit gem. §§ 16 ff. VVG a.F. zum Rücktritt berechtigt und nicht zur Leistung verpflichtet. Denn der VN darf ein geändertes Angebot des VR nicht annehmen, ohne zuvor den VR über die seit ursprünglicher Antragstellung eingetretenen gefahrerheblichen Umstände - hier: die aufgetretenen Beschwerden und Untersuchung/Behandlung im Krankenhaus - zu informieren (vgl. BGHZ 121, 6 ff. Rz. 19).
Hier erfolgte die Rücknahme der Berufung (522,2 ZPO)
Normenkette
VVG a.F. § 2 Abs. 2 S. 2; VVG §§ 16 ff.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 7 O 471/07) |
Tenor
In dem Rechtsstreit S. /. S.L. AG
hat der Senat über die Sache nunmehr beraten und beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das angefochtene Urteil durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
1. Die Berufung kann gem. § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
2. Die Berufung bleibt danach ohne Erfolg, denn die in 1. genannten Voraussetzungen liegen nicht vor. Das LG hat im Ergebnis zutreffend einen Anspruch der Klägerin aus dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag verneint.
a) Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Beweiswürdigung des LG und macht geltend, das LG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die Zeugin Dr. F. zur mündlichen Vernehmung zu laden. Vielmehr habe das LG sich unzulässig allein auf die Würdigung der schriftlichen Zeugenaussagen beschränkt. Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin keinen Erfolg, weil es auf die Vernehmung der Zeuginnen Dr. Dr. S. und Dr. F. für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankam.
Zwar ist die Beklagte nach der neueren Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH VersR 2000, 1133 = NJW-RR 2000, 1471 - zitiert nach juris: Rz. 11) entgegen der früher vertretenen Ansicht (vgl. BGHZ 111, 29 ff. = VersR 1990, 618 = NJW 1990, 1851 - zitiert nach juris: Rz. 24) dafür beweisbelastet, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Abgabe ihrer Vertragserklärung Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls hatte. Die Klägerin trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Sie muss konkret vortragen, wann sie welche Informationen im Zusammenhang mit den Aufenthalten in den zwei Kliniken über die Art ihrer Erkrankung von welchen Personen erhalten hat. Der Vortrag der Klägerin beschränkt sich in ihrem Vortrag jedoch auf die Behauptung, dass ihr von den Ärzten nicht mitgeteilt worden sei, dass sie einen Herzinfarkt erlitten habe, bevor sie die Erklärung vom 15.3.2007 abgegeben habe. Sie trägt zwar vor, dass die Ursache ihrer Beschwerden zunächst unbekannt gewesen sei und gibt Vermutungen in Richtung der Unverträglichkeit von Tabletten bzw. Magenproblemen wieder. Sie trägt jedoch nicht konkret vor, welche Informationen sie tatsächlich erhalten hat. Die Klägerin ist - nach ihren Angaben im Fragebogen B 10 unstreitig - mit Schmerzen in der Brust und Erbrechen am 13.3.2007 im Krankenhaus aufgenommen worden. Wenn angesichts dieser Symptome auch andere Ursachen im Wege der Differentialdiagnostik untersucht wurden, besagt dies nicht, dass die Ursache der Symptome nicht ermittelt werden konnte. Gerade wegen des erhöhten Wertes von Troponin I ist die Klägerin dann vom Kreiskrankenhaus S. (vgl. Schreiben des Krankenhaus vom 20.3.2007 bei B 10) auf die Intensivstation des Krankenhauses C. verlegt worden, wo sich bei der Aufnahme ebenfalls ein erhöhter Troponinwert zeigte (Schreiben des Klinikum C. vom 16.3.2007 bei B 10). Bei der Verlegung bestand bereits der dringende Verdacht einer myokardialen Ischämie. Es wurde letztlich ein akuter nichttransmuraler Myokardinfarkt diagnostiziert. Die genaue Uhrzeit der Herzkatheteruntersuchung spielt keine entscheidende Rolle, weil diese Untersuchung zwar als Notfall- und Erstmaßnahme zum Stellen der Diagnose eines Herzinfarktes durchgeführt werden kann. Diese Untersuchung macht abe...