Leitsatz (amtlich)

1. Die Revision ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil sich der Angeklagte weder gegen den Schuldspruch noch gegen den Rechtsfolgenausspruch im eigentlichen Sinne wendet, sondern der Sache nach allein das Fehlen einer Kompensationsentscheidung in dem angefochtenen Urteil beanstandet.

2. Kompensationsentscheidung und Strafausspruch sind je für sich auf Rechtsfehler überprüfbar, es sei denn, dass zwischen ihnen eine untrennbare Verknüpfung besteht. Zulässig ist insbesondere die isolierte Anfechtung einer unterbliebenen Kompensation für eine nach Aufhebung der erstinstanzlichen Verurteilung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung.

3. Die Aufhebung allein des Strafausspruchs oder allein des Ausspruchs über die Strafaussetzung zur Bewährung durch das Revisionsgericht erfasst grundsätzlich nicht die Frage eines Ausgleichs für eine bis dahin eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung; vielmehr tritt insoweit horizontale Teilrechtskraft ein, unabhängig davon, ob die getroffene oder fehlende Kompensationsentscheidung mit der Revision angegriffen worden war oder nicht.

4. Zu den Anforderungen an eine Verfahrensrüge, mit der eine rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung geltend gemacht wird.

5. Hilft das Tatgericht einer Beschwerde des Angeklagten gegen den (bislang nicht begründeten) Strafaussetzungsbeschluss gemäß § 268a Abs. 1 StPO nicht ab, so ist es unerlässlich, dass es die seiner Entscheidung zugrunde liegenden Überlegungen in einem begründeten Beschluss nach § 306 Abs. 2 StPO darlegt und dabei auch auf erhebliches Beschwerdevorbringen eingeht.

6. Nach § 305a Abs. 1 Satz 2 StPO kann die Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 268a Abs. 1 StPO nur darauf gestützt werden, dass eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist; das Beschwerdegericht hat nicht zu entscheiden, ob die Anordnung sachgerecht oder erforderlich ist.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 14.02.2018; Aktenzeichen (571) 285 Js 3989/14 Ns (119/16))

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Februar 2018 wird nach § 349 Abs. 2 StPO auf seine Kosten verworfen.

Auf die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 14. Februar 2018 wird die Sache zur Nachholung des Abhilfeverfahrens an die 71. Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Auf die (entsprechend beschränkte) Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat dieses Urteil im Ausspruch über die Strafaussetzung zur Bewährung mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die nunmehr zuständige 71. Strafkammer des Landgerichts hat mit Urteil vom 14. Februar 2018 die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe erneut zur Bewährung ausgesetzt und mit Beschluss vom selben Tag die Dauer der Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt.

Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und trägt zur Begründung - gestützt auf urteilsfremde Ausführungen zum Gang des Verfahrens - vor, das Landgericht hätte in dem angefochtenen Urteil Feststellungen zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung treffen müssen.

Mit der gegen den vorbezeichneten Beschluss erhobenen Beschwerde macht der Angeklagte geltend, die Dauer der Bewährungszeit sei, "flankiert durch die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung", "künstlich verlängert" worden.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten war nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, da die Überprüfung des angefochtenen Urteils keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

1. Zur Zulässigkeit der Revision bemerkt der Senat:

a) Das Rechtsmittel ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil sich der Revisionsführer weder gegen den Schuldspruch noch gegen den Rechtsfolgenausspruch im eigentlichen Sinne wendet, sondern der Sache nach allein das Fehlen einer Kompensationsentscheidung in dem angefochtenen Urteil beanstandet.

Zulässiges Ziel der Revision kann es vielmehr auch sein, dass der Beschwerdeführer allein die Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung begehrt. Dies folgt aus Sinn und Zweck sowie systematischer Stellung der so genannten Vollstreckungslösung des Großen Senats für Strafsachen des BGH (BGHSt 52, 124 - juris), welche die frühere Strafabschlagslösung abgelöst hat. Bei der Vollstreckungslösung wird der Ausgleich für einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot aus dem Vorgang der Strafzumessung herausgelöst, bleibt aber Teil des Rechtsfolgenausspruchs im weiteren Sinne (vgl. BGH, Besch...

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