Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmissbräuchliche Berufung auf fehlerhafte Vollziehung einer Beschlussverfügung; Wirksamwerden einer geänderten UVP

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist eine Beschlussverfügung fehlerhaft an die Partei (statt an ihren Verfahrensbevollmächtigten) zugestellt worden, ist ihre Berufung auf eine fehlerhafte Vollziehung rechtsmissbräuchlich, wenn ihr Verfahrensbevollmächtigter bewusst eine Übermittlung der Beschlussverfügung an sich innerhalb der Vollziehungsfrist unterbunden hat.

2. Eine geänderte unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers wird - ohne Übergangsfrist - grundsätzlich mit ihrer Veröffentlichung bzw. Mitteilung ggü. den Abnehmern wirksam.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 29.06.2004; Aktenzeichen 15 O 154/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 29.6.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des LG Berlin - 15 O 154/04 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens nach einem Wert von 50.000 Euro zu tragen.

 

Gründe

A. Die Parteien sind Wettbewerber u.a. auf dem Gebiet der Haushaltselektroartikel und Unterhaltungselektronik.

Die Antragsgegnerin nannte in einer Werbebeilage zur "Berliner Zeitung" v. 4.3.2004 für einen Backherd "KG MP 9842 Solar" und ein Handy "LG G512" eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers von 699 Euro bzw. 399 Euro, obwohl seinerzeit die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers 629 Euro (seit 1.3.2004) bzw. 229 Euro (seit Februar 2004) betrug.

Das LG hat mit Beschlussverfügung v. 6.4.2004 die Werbung der Antragsgegnerin mit nicht oder nicht mehr in der angegebenen Höhe bestehenden unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers als irreführend untersagt. Die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin hatten sich mit Telefaxschreiben v. 15.3.2004 ggü. der Antragstellerin als Verfahrensbevollmächtigte bestellt. Im Parteiwege ist die Beschlussverfügung des LG Berlin vom 6.4.2004 der Antragsgegnerin unmittelbar am 15.4.2004 zugestellt worden. Mit Telefax v. 15.4.2004 zeigten die Bevollmächtigten ggü. dem LG Berlin die Vertretung der Antragsgegnerin an und baten um Übersendung der Antragsschrift.

Mit der auf den Widerspruch v. 12.5.2004 ergangenen angefochtenen Entscheidung hat das LG die Beschlussverfügung bestätigt.

B. Die Berufung der Antragsgegnerin ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO aus den weiterhin zutreffenden Gründen der Verfügung des Senats v. 19.11.2004 zurückzuweisen.

I. Im Ergebnis rechtsfehlerfrei ist das LG von einer wirksamen Vollziehung der Beschlussverfügung v. 6.4.2004 ausgegangen, § 929 Abs. 2 ZPO.

Auch wenn die an sich gebotene förmliche Parteizustellung an den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin (der sich schon mit Schriftsatz v. 15.3.2004 bei der Antragstellerin als solcher gemeldet hatte) nicht erfolgt ist, ist eine Berufung der Antragsgegnerin auf diesen Zustellungsmangel vorliegend jedenfalls rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB.

1. Eine Heilung des Zustellungsmangels gem. § 189 ZPO kommt nach der Neufassung dieser Vorschrift grundsätzlich in Betracht, weil die Rechtsfolge eine Heilung nicht mehr in das Ermessen des Gerichts gestellt ist (wie vormals bei § 187 ZPO a.F.; so auch OLG Hamm, Urt. v. 3.6.2003 - 4 U 48/03, Bl. 90 R d.A.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 929 Rz. 14, m.w.N.).

Voraussetzung des § 189 ZPO n.F. ist, dass das Zustellungsobjekt mit einem Zustellungswillen in den Rechtsverkehr gelangt und (schließlich) dem Empfänger tatsächlich zugeht (BGH v. 21.3.2001 - VIII ZR 244/00, MDR 2001, 889 = BGHReport 2001, 756 = NJW 2001, 1946 [1947]). Auch wenn die bloße Unterrichtung über den Inhalt nicht genügt (BGH NJW 1978, 1325; v. 13.4.1992 - II ZR 105/91, AG 1992, 265 = MDR 1992, 803 = NJW 1992, 2099 [2100]), so kommt § 189 ZPO in Betracht, wenn das Zustellungsobjekt zwar fehlerhaft an die Partei statt an ihren Prozessbevollmächtigten geht, die Partei aber eine Kopie an den Prozessbevollmächtigten weiterleitet (OLG Braunschweig v. 7.9.1995 - 2 U 42/95, NJW-RR 1996, 380; Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 187 Rz. 9 - Prozessbevollmächtigter).

2. Wenn der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin sich mit Schriftsatz v. 15.4.2004 bei Gericht unter Angabe des Aktenzeichens der Beschlussverfügung gemeldet und (lediglich) um Übersendung der Antragsschrift gebeten hat, dann spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ihm die Beschlussverfügung - jedenfalls in Kopie - vorgelegen hat.

3. Selbst wenn - wie nunmehr anwaltlich versichert - die Antragsgegnerin ihrem Verfahrensbevollmächtigten nur per E-Mail mitgeteilt haben sollte, dass ihr unter dem Aktenzeichen 15 O... eine einstweilige Verfügung des LG Berlin von der Antragstellerin zugestellt worden sei, ihr Verfahrensbevollmächtigter daraufhin die Antragsschrift beim LG angefordert habe und diesem innerhalb der Vollziehungsfrist die Beschlussverfügung weder in Kopie noch sonstwie übermittelt worden sei, wäre vorliegend die Berufung auf den Zustellungsmangel rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB.

a) Im Rahmen der Prüfung der Vollzie...

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