Leitsatz (amtlich)
1. Zum Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer angeordneten Abschiebungshaft nach deren Erledigung.
2. Die Ausländerbehörde ist nicht befugt, selbst ohne richterliche Vorabanordnung Maßnahmen zur Durchsetzung von Abschiebungshaft zu ergreifen.
3. Zur Anwendbarkeit der landesrechtlichen Bestimmungen zum Polizeigewahrsam zur Verhinderung von Straftaten eines Ausländers.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 104; AuslG § 55–57, § 92 Abs. 1 Nr. 1; FEVG § 13; BerlASOG §§ 17, 30-31
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 84 T XIV 72/01 B) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 70 XIV 1773/01 B) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers vom 26.10.2001 gegen den Beschluss der Zivilkammer 84 des LG Berlin vom 28.8.2001 – Az. 84 T XIV 72/01 B – wird zurückgewiesen.
II. Das Land Berlin hat dem Betroffenen die ihm im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Die Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde, die gem. § 27 Abs. 1 FGG i.V.m. § 561 Abs. 2 ZPO (a.F., § 26 Nr. 10 EGZPO) nur auf Rechtsfehler gestützt werden kann, richtet sich nach den §§ 22 Abs. 1, 27 Abs. 1, 20a Abs. 2, 29 Abs. 1 und 4 FGG i.V.m. §§ 3 S. 2, 7 Abs. 1 und 2, 16 Abs. 1 FEVG, § 103 Abs. 2 S. 1 AuslG. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG vom 28.8.2001, in dem auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 3.7.2001 gegen den Beschluss des AG Schöneberg vom 25.6.2001 die Feststellung der Rechtswidrigkeit der auf Anordnung des Antragstellers beruhenden Freiheitsentziehung vom 16.5.2001, 6.30 Uhr, bis zum 17.5.2001, 13.30 Uhr, getroffen worden ist, ist zulässig. Die nach § 20 Abs. 1 FGG erforderliche Beschwer ergibt sich aus der zu Lasten des Antragstellers als Veranlasser der Freiheitsentziehungsmaßnahme getroffenen Rechtswidrigkeitsfeststellung.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist allerdings unbegründet, denn das LG hat mit zutreffender rechtlicher Würdigung die vom Betroffenen zulässigerweise begehrte Rechtswidrigkeitsfeststellung getroffen. Schon der festgestellte Umstand, dass für den Betroffenen zum Zeitpunkt seiner Festnahme am Morgen des 16.5.2001 im Haushalt seines Vaters noch eine vom Antragsteller bis zum 18.5.2001 verlängerte Duldung bestand, steht nach Auffassung des Senates letztlich einer Rechtmäßigkeit der vom Antragsteller für diesen Zeitraum zur Durchsetzung einer Abschiebung veranlassten Freiheitsentziehungsmaßnahme entgegen.
1. Der Feststellungsantrag des Betroffenen ist entgegen der vom AG und zunächst vom Antragsteller vertretenen Auffassung zulässig. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, dass der Betroffene, der auf Veranlassung des Antragstellers vom 16.5.2001, 6.30 Uhr, an bis zur gerichtlichen Entlassungsanordnung am 17.5.2001, 13.30 Uhr, in polizeilichem Abschiebegewahrsam gewesen ist, trotz der Zurückweisung des im Termin vom 17.5.2001 vom Antragsteller gestellten und auf § 57 Abs. 2 S. 2 AuslG gestützten Haftantrages durch Beschluss des AG Schöneberg vom 17.5.2001 ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse bezüglich der Feststellung der Rechtswidrigkeit der freiheitsentziehenden Verwaltungsmaßnahmen habe, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Mit Rücksicht auf die neuere Rechtsprechung des BVerfG zur Reichweite der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG bei den nach Art. 104 Abs. 2 GG unter Richtervorbehalt gestellten tief greifenden Grundrechtseingriffen einer Freiheitsentziehungsmaßnahme (EuGRZ 1997, 374–376: für polizeilichen Unterbindungsgewahrsam; BVerfG v. 27.5.1997 – 2 BvR 1992/92, NJW 1997, 2165 f.: für Durchsuchungsanordnung; BVerfG v. 10.5.1998 – 2 BvR 978/97, NJW 1998, 2432 f.: für vorläufige Unterbringungsmaßnahme; v. 3.2.1999 – 2 BvR 804/97, NJW 1999, 3773 f.: für Freiheitsentziehung zur Durchsetzung eines Platzverweises; zuletzt zu Abschiebungshaftsachen noch weiter gehend im Beschl. v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, 2 BvR 1337/99 und 2 BvR 1777/99, bisher nur im Leitsatz in ZAR 2002, 113 veröffentlicht) soll bei einem Freiheitsverlust durch Inhaftierung ein Rehabilitierungsinteresse zu indizieren sein, da die Haftanordnung geeignet sei, das Ansehen in der Öffentlichkeit herabzusetzen, weil sie impliziere, dass der betroffene Ausländer sich in einer Weise gesetzeswidrig verhalte – oder drohe sich so zu verhalten –, die seine Inhaftierung rechtfertige. Dieses Rehabilitierungsinteresse begründet auch nach Erledigung der Maßnahme ein von Art. 19 Abs. 4 GG umfasstes Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit. Die Rechtsschutzgewährung durch die Fachgerichte soll im Hinblick auf dieses Rehabilitierungsbedürfnis weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon abhängen, ob in Abschiebungshaftfällen Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden kann (insoweit anders noch der BGH v. 25.6.1998 – V ZB 7/98, BGHZ 139, 254; NJW 1998, 2829, ebenso Bay...