Entscheidungsstichwort (Thema)

Der fehlende eigenverantwortliche, auf der Grundlage der Hauptverhandlung durchgeführte Bewertungsvorgang der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen führt zur Aufhebung des Urteils.

 

Leitsatz (amtlich)

Verweist das Berufungsgericht pauschal auf die Strafzumessungsgesichtspunkte des Amtsgerichts und auf dessen Bewertung und setzt die selben Strafen wie das Amtsgericht fest, ohne diese Umstände einem eigenen Bewertungsvorgang zu unterziehen, hält ein solches Urteil der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

 

Normenkette

StPO § 267 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 05.06.2019; Aktenzeichen (575) 281 AR 237/18 Ns (134/18))

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Juli 2019 einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörenden Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 4. September 2018 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von fünf Monaten angeordnet.

Seine hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 5. Juli 2019 mit der Maßgabe verworfen, dass die Sperrfrist drei Monate beträgt. Hiergegen hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs mit den dazugehörigen Feststellungen; im Übrigen ist die Revision unbegründet.

II.

1. Die Verfahrensrüge verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Diese lässt aufgrund widersprüchlichen Vorbringens die erforderliche klare Bezeichnung der Angriffsrichtung vermissen, sodass die Rüge nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht.

Nach dieser Regelung müssen bei Verfahrensrügen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Das hat so vollständig und so genau zu geschehen, dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, .ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (BGH NJW 1994, 1294). Dazu muss die Revisionsbegründung den Vorgang, der einen Verfahrensfehler darstellen soll, als tatsächlich so geschehen angeben (vgl. Frisch in SK-StPO 5. Aufl., § 344 Rn. 50). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Begründungsschrift zu dem behaupteten Vorgang - wie hier - widersprüchliche (vgl. BGH NStZ 2013, 58; 2008, 353; NStZ-RR 2006, 181; Franke in Löwe-Rosenberg StPO 26. Aufl., § 344 Rn. 78; Gericke in KK-StPO 8. Aufl., § 344 Rn. 39) und unrichtige (vgl. BGH, Beschluss vom 30. September 2015 - 5 StR 388/15 -, juris; Knauer/Kudlich in MK-StPO 1. Aufl., § 344 Rn. 105) Darstellungen enthält.

Zum einen beruft sich die Revision darauf, der Angeklagte habe in der Berufungshauptverhandlung "keinesfalls angeführt [...] eine mögliche Alkoholisierung durch das Essen von alkoholhaltigen Pralinen erklären zu wollen", Zum anderen wird in der Revisionsbegründung dem zuwiderlaufend mitgeteilt, der Angeklagte habe sich in der Berufungshauptverhandlung insbesondere wie folgt eingelassen: "Am 25. Dezember 2017 war ich Fahrer des Autos. Ich hatte an diesem Tage fast nichts gegessen und auf dem Weg nach Hause Edle Tropfen Vodka gegessen."

Darüber hinaus benennt die Revision auf dieser Grundlage auch die Angriffsrichtung der Verfahrensrüge in widersprüchlicher Weise, wenn sie sich einerseits darauf beruft, der Angeklagte habe nicht vorgetragen, die Alkoholisierung sei auf den Konsum von alkoholhaltigen Pralinen zurückzuführen, an anderer Stelle der Begründungsschrift hingegen rügt, das Berufungsgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der durch den Zeugen wahrgenommene Alkoholgeruch "ggf. mit dem Essen dieser alkoholhaltigen Pralinen zu erklären" sei.

Die Revision macht somit einerseits geltend, das Landgericht habe das Vorbringen des Angeklagten, alkoholhaltige Pralinen gegessen zu haben, nicht würdigen dürfen, da dies nicht Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen sei und rügt andererseits, die Strafkammer setze sich mit dieser Einlassung des Angeklagten nicht in ausreichender Weise auseinander. Dieser Vortrag ist in sich widersprüchlich, da sich die geschilderten Geschehensabläufe gegenseitig ausschließen. Ein solches in tatsächlicher Hinsicht widersprüchliches Vorbringen innerhalb der Revisionsbegründung entspricht nicht dem Erfordernis der Darlegung eines bestimmten Verfahrensverstoßes (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012 - 1 StR 373/11 -, juris) und kann nicht Grundlage einer erfolgreichen ...

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