Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung des § 299 StPO auf inhaftierten Beschuldigten
Leitsatz (amtlich)
1. Zuständig für die Revisionseinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle nach § 341 Abs. 1 StPO ist nur die Geschäftsstelle desjenigen Gerichts, dessen Urteil angefochten werden soll.
2. Dem inhaftierten Nebenkläger steht die Möglichkeit, fristgebundene Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts des Verwahrungsortes mit der Wirkung des § 299 Abs. 2 StPO abzugeben, nicht zu.
Normenkette
StPO § 299 Abs. 2, § 341 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 22.09.2014; Aktenzeichen (560) 256 AR 165/14 Ns (24/14)) |
Tenor
1. Die Revision des Nebenklägers K. gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 22. September 2014 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Nebenkläger hat die Kosten seines Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten am 27. Mai 2014 wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je drei Euro verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin dieses Urteil aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Nebenkläger die Verletzung materiellen Rechts. Seinen Antrag, ihm "für das Revisionsverfahren eine anwaltliche Vertretung beizuordnen", hat das Landgericht mit Beschluss vom 5. November 2014 abgelehnt.
II.
Die gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Berufungsurteil des Landgerichts Berlin vom 22. September 2014 gerichtete Revision des Nebenklägers ist bereits unzulässig, denn sie wahrt nicht die für Einlegung des Rechtsmittels gesetzlich bestimmte Frist (§§ 341 Abs.1, 401 Abs. 2 StPO) von einer Woche.
Der Nebenkläger hat am 26. September 2014 zu Protokoll des Rechtspflegers des Amtsgerichts Wedding in der JVA Tegel Revision eingelegt, welche beim Landgericht Berlin ausweislich des Eingangsstempels der Geschäftsstelle am 30. September 2014 einging - einen Tag nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist am 29. September 2014.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 15. Januar 2015 hierzu folgendes ausgeführt:
"Zuständig für die Revisionseinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle nach § 341 Abs.1 StPO war nur die des Landgerichts Berlin als die Geschäftsstelle desjenigen Gerichts, dessen Urteil angefochten werden soll (vgl. Löwe-Rosen-berg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 341 Rdn. 11). Die Einlegung der Revision zu Protokoll des Rechtspflegers des Amtsgerichts Wedding in der JVA Tegel durch den nicht auf freiem Fuß befindlichen Nebenkläger war nicht fristwahrend gem. § 299 Abs. 2 StPO, denn § 299 StPO gilt nur für nicht auf freiem Fuß befindliche Angeklagte, nicht aber für andere inhaftierte Beschwerdeführer (vgl. Löwe-Rosenberg aaO.). Dem inhaftierten Nebenkläger steht die Möglichkeit, fristgebundene Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts des Verwahrungsortes mit der Wirkung des § 299 Abs. 2 StPO abzugeben, nicht zu (OLG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 1971 - 4 Ws 110/71, in LSK 1971, 940683, BeckOnline; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl. § 299 Rdn. 2).
Das vom Rechtspfleger des Amtsgerichts Wedding als unzuständigem Gericht aufgenommene Protokoll ist damit wirkungslos. Zwar kann es als schriftliche Revisionseinlegung angesehen werden, da der Nebenkläger es unterschrieben hat (Bd. 11 BI. 18 d.A.). Indem er sich des unzuständigen Urkundsbeamten als Boten bediente, wurde mit der Übergabe an den Urkundsbeamten daher der schriftliche Weg zur Einlegung der Beschwerde gewählt, mit der Folge, dass es nicht auf die Abgabe des Schreibens, sondern auf dessen Eingang bei dem zuständigen Gericht ankommt (vgl. KG, Beschluss vom 19. April 2004 - 5 Ws 173/04 - 1 AR 352/04 -). Die Frist des § 341 StPO ist aber nicht gewahrt, denn das Protokoll ist nicht rechtzeitig bei dem zuständigen Landgericht eingegangen (vgl. Löwe-Rosenberg aaO.).
Für eine etwaige Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen (§ 45 Abs.2 S.3 StPO) im Hinblick auf diese Fristversäumnis ist kein Raum. Denn ausweislich des Protokolls der Berufungshauptverhandlung ist dem Nebenkläger eine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden (Bd. 11 BI. 4 d.A.). Der Protokollvermerk 'Rechtsmittelbelehrung ist erfolgt' beweist nicht nur die Belehrung als solche, sondern auch deren Richtigkeit und Vollständigkeit (vgl. KG, Beschluss vom 18. Januar 2002 - 2 Ss 285/01 - 3 Ws (B) 3/02 - in NZV 2002, 526). Der Nebenkläger durfte sich auch nicht darauf verlassen, dass seine am 26. September 2014 - einem Freitag - schriftlich eingelegte Revision innerhalb des normalen behördlichen Schriftverkehrs fristgerecht am Montag, den 29. September 2014 beim Landgericht Berlin eingehen würde."
Diese Ausführungen treffen zu, weshalb der Senat sie sich zu eigen macht und die Revision gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verwirft.
III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 3 StPO.
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