Leitsatz (amtlich)
Plant die Ausländerbehörde zur Durchsetzung einer Anordnung nach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG die zwangsweise Vorführung eines Ausländers vor dessen Auslandsvertretung, ist jedenfalls dann, die richterliche Entscheidung herbeizuführen. Für eine solche Entscheidung stellen die §§ 82 Abs. 4 Satz 3 AufenthG, 40 Abs. 1 BPolG eine ausreichende Ermächtigungsnorm dar. Zum Erfordernis der vorherigen Ladung des Ausländers zur persönlichen Anhörung durch den Richter in einem solchen Fall.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 27.12.2007; Aktenzeichen 84 T 495/06 B) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 70 XIV 1765/06 B) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Land Berlin dem Betroffenen die diesem in den drei Instanzen entstandenen notwendigen Auslagen nicht zu erstatten hat.
Gründe
I.
Die Ausländerbehörde ordnete mit Bescheid vom 3. Mai 2005 das persönliche Erscheinen des Betroffenen im türkischen Generalkonsulat für den Zeitraum vom 16. bis 20. Mai 2005 zum Zwecke der Passbeantragung bzw. zur Verlängerung des abgelaufenen Passes an. Zugleich erfolgte die Androhung unmittelbaren Zwangs.
Auf den Antrag der Ausländerbehörde vom 2. Oktober 2006 hat das Amtsgericht Schöneberg mit Beschluss vom 1. November 2006 im Wege der einstweiligen Anordnung ohne Anhörung des Betroffenen den Entzug der Freiheit des Betroffenen vom 6. November bis zum Ablauf des 8. November 2006 und die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses gemäß § 8 FEVG angeordnet. Zugleich kündigte das Amtsgericht an, einen Anhörungstermin von Amts wegen anzuordnen "vorbehaltlich der Botschaftsvorführung". Da die Festnahme scheiterte, nahm die Behörde am 7. November 2006 den Haftantrag zurück.
Auf die gegen den Beschluss vom 1. November 2006 gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2007 festgestellt, dass die Anordnung der Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei. Zugleich hat es dem Land Berlin aufgegeben, die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Hiergegen wendet sich die Ausländerbehörde mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde vom 6. Februar 2008.
II.
1.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden, §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 S. 1 und 3, Abs. 4 FGG, 3 S. 2, 7 Abs. 1 und 2, 13 Abs. 2 FEVG, 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG. Die sofortige weitere Beschwerde ist dahin auszulegen, dass die Zurückweisung der Erstbeschwerde angestrebt wird. Insoweit besteht für den Antragsteller auch ein Rechtsschutzbedürfnis, weil mit der angefochtenen Entscheidung letztlich auch sein Haftantrag abgelehnt worden ist, vgl. § 7 Abs. 2 HS 2 FEVG. Zwar bezog sich dieser Antrag nur auf den Zeitraum vom 6. bis 8. November 2006 und der Antragsteller hat seinen Antrag am 7. November 2006 zurückgenommen. Gleichwohl ist der Antragsteller weiterhin beschwert, wie sich aus § 16 FEVG ergibt. Das Landgericht hat ihm die Erstattung der notwendigen aussergerichtlichen Kosten des Betroffenen auferlegt.
2.
Die sofortige weitere Beschwerde hat jedoch nur im Hinblick auf die Kostenentscheidung in dem angefochtenen Beschluss Erfolg. In der Hauptsache beruht die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis nicht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.
a)
Allerdings teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, es habe bereits an einer Rechtsgrundlage für die von dem Amtsgericht angeordnete Freiheitsentziehung gefehlt, nicht. Gemäß § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG kann die Ausländerbehörde unter den dortigen weiteren Voraussetzungen anordnen, dass ein Ausländer bei den Vertretungen des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint. Kommt der Ausländer dem nicht nach, kann die Anordnung zwangsweise durchgesetzt werden, § 82 Abs. 4 S. 2 AufenthG. Hierfür gelten die allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsrechts (OVG Münster, Beschluss vom 28. November 2006 - 10 B 1789/06 -, [...], Rdn. 9; BayObLG, Beschluss vom 11. April 2001 - 3Z BR 1/01 -, [...], Rdn. 23). Darüber hinaus finden §§ 40 Abs. 1 und 2, 41, 42 Abs. 1 S. 1 und 3 BPolG entsprechende Anwendung, § 82 Abs. 4 S. 3 AufenthG. Nach § 40 Abs. 1 BPolG hat die Bundespolizei, wenn eine Person festgehalten wird, unverzüglich eine richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen, wobei im Zusammenhang mit einer Anordnung nach § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG die Ausländerbehörde an Stelle der Bundespolizei zuständig bleibt (BT-Drs. 15/420, S. 97). Dabei beschränkt sich die Verweisung in § 82 Abs. 4 S. 3 AufenthG auf § 40 Abs. 1 BPolG nicht auf solche Fälle, in denen der Ausländer bereits festgehalten wird. Der von dem Landgericht hierfür herangezogene Wortlaut des § 40 Abs. 1 BPolG verlangt dies nicht. Vielmehr muss die Vorschrift im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG ausgelegt werden. Danach hat über die Zulässigkeit und Fortdauer ...