Normenkette
ZPO § 269 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 01.04.2003; Aktenzeichen 6 O 502/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG Berlin vom 1.4.2003 – 6 O 502/02 aufgehoben und der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 921,76 Euro zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die gem. §§ 269 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige, insb. form- und fristgerecht eingelegte und begründete sofortige Beschwerde des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Kostenentscheidung gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO liegen entgegen der Auffassung des LG vor. Danach bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird.
In der zu dieser Gesetzesänderung veröffentlichten Lit. und Rspr. ist zwar streitig, ob Voraussetzung für den Erlass einer solchen Kostenentscheidung das Vorliegen eines Prozessrechtsverhältnisses ist. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass eine solche Kostenentscheidung nicht in Betracht kommt, wenn bei Eingang der Erklärung über die Klagerücknahme die Klage noch nicht zugestellt worden ist und eine Klagezustellung auch nicht mehr vorgenommen wird (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 269 Rz. 8a, 8c; KG, Beschl. v. 20.1.2003 – 23 W 241/02, KGReport Berlin 2003, 109; OLG Nürnberg v. 31.10.2002 – 7 WF 3134/02, MDR 2003, 410: Eine nachträgliche Klagezustellung wurde durch den Kläger ausdrücklich abgelehnt; LG Bad Kreuznach v. 7.1.2003 – 1 T 4/03, MDR 2003, 411; wohl auch in diesem Sinne, aber unklar, ob nachträgliche Anordnung und Durchführung der Klagezustellung ausreicht: Gehrlein, MDR 2003, 421). Dies wird dogmatisch damit begründet, dass eine Klage erst dann zurückgenommen werden kann, wenn ein Prozessrechtsverhältnis besteht, i.d.R. also mit Zustellung der Klageschrift. Vorher handele es sich nicht um eine Klagerücknahme sondern um eine Rücknahme des Rechtsschutzgesuches (so ausdrücklich Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 61. Aufl., § 269 Rz. 39). Wollte man diese Prämisse beibehalten, dann wäre für eine Anwendung von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bei einer „Klagerücknahme” vor Klagezustellung kein Raum mehr, weil die Zustellung einer bereits zurückgenommenen Klage bzw. eines Rechtsschutzgesuches keine Wirkung mehr entfaltet.
Teilweise wird die Klagezustellung als nicht erforderlich im Rahmen von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO angesehen (Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 269 Rz. 4 unter Hinweis auf Hartmann, NJW 2001, 2577 [2585]: „Dogmatische Änderung [Klagerücknahme vor Rechtshängigkeit] werde kaum noch jemanden beunruhigen”; wohl auch Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 269 Rz. 16).
Der Begründung zu dieser Gesetzesänderung lässt sich die Intention des Gesetzgebers nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 80 [81]).
Welcher Auffassung der Vorzug gebührt, kann dahinstehen, da die Klageschrift jedenfalls nachträglich zugestellt worden ist. Dies ist nach Auffassung des Senates für den Erlass einer Kostenentscheidung gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ausreichend (ebenso KG, Beschl. v. 8.4.2003 – 22 W 110/03).
Die weiteren Voraussetzungen für den Erlass einer Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO liegen gleichfalls vor. Nach dem schlüssigen, nicht bestrittenen Vortrag des Klägers hatte er den Kaufvertrag aufgrund einer Täuschung über die Anzahl der Vorbesitzer wirksam angefochten, so dass er bei Klageeinreichung am 13.11.2002 einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges hatte. Dieser Anspruch ist am 8.1.2003, somit vor Zustellung der Klage am 31.1.2003, durch die unfallbedingte Zerstörung des Fahrzeuges und der damit einhergehenden Unmöglichkeit der Herausgabe in Wegfall geraten. Der Anspruch hat sich damit erledigt. Da die Klage bis zum Eintritt dieses Ereignisses zulässig und begründet erschien, entspricht es billigem Ermessen gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes ergeht gem. § 3 ZPO und orientiert sich an den vor dem LG entstandenen Kosten.
Die Rechtsbeschwerde war nicht gem. § 574 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht aus anderen Gründen eine Entscheidung des BGH erfordert.
Schneider
Fundstellen
Haufe-Index 1103016 |
OLGR Düsseldorf 2003, 87 |
OLGR Frankfurt 2003, 87 |
OLGR Hamm 2003, 87 |
OLGR Köln 2003, 87 |
KG-Report 2003, 326 |
KG-Report 2003, 87 |
OLGR-BHS 2003, 87 |
OLGR-CBO 2003, 87 |
OLGR-KSZ 2003, 87 |
OLGR-KS 2003, 87 |
OLGR-MBN 2003, 87 |
OLGR-NBL 2003, 87 |